202 IV. Württemberg als Königreich.
heiten untergeordnet. Die Leitung der Gymnasien, Lyceen, Klosterschulen und
des theologischen Stifts in Tübingen wurde der Studien-Oberdirektion übertragen.
Der Studienrath bestand aus Mitglledern verschiedener Konfesstonen; zwei evan-
gelische Konsistorialräthe hatten immer Sitz und Stimme in demselben. — Die
Post, deren Betrieb bisher dem Fürsten Taris übergeben gewesen war, wurde
nun Staatsanstalt. — Das Nähere und Einzelne in den besonderen Zweigen
der Gesetzgebung und Verwaltung wurde durch eine Masse von Erlassen festge-
setzt, an welchen keine Zeit so reich ist als dlejenige von 1806 —1815.
So war das alt-ehrwürdige Gebäude der württembergischen Verfassung
zerstört. Hatte sie auch während ihres Bestandes viele Mängel und Gebrechen
gezeigt (angemaßtes Recht der Ausschüsse, hartnäckiges Festhalten am Alten und
Hergebrachten und eigensinniges Ausschließen aller guten Neuerungen), so be-
rührt doch den Vaterlandsfreund der Gedanke schmerzlich, daß das Volk unum-
schränkt regiert, bei der Festsetzung und Ausübung der Gesetze, namentlich bei
der Umlage der Steuern, nicht befragt und angehört, sondern zum Schweigen und
blinden Gehorsam gezwungen wurde. „Der König von Württemberg ist ein
sehr harter Mann!“ hat Napoleon gesagt. Fürwahr, sehr hart, hart wie Gra-
nit. Er führte ein strenges Regiment. Oft ließ er Leute, die ihm gefielen oder
mißfielen, auf der Straße greifen und unter die Soldaten stecken. Auch Napoleon
gegenüber behauptete er seinen Stolz. Als dieser sich in Erfurt (1808) bedeckte,
ehe die übrigen Fürsten es thaten, stülpte Friedrich, der es bemerkte, seinen Feder-
hut so rasch auf den Kopf, daß der Puder stob. Ueber die Ungerechtigkeiten und
Bedrückungen in der Verwaltung u. s. w. schreibt Zahn in den „württembergischen
Jahrbüchern“ (III, 255.): „Zahllose Befehle und Verordnungen beschränkten
die persönliche Freiheit. Die Freihelt der Rede, vormals groß in Württemberg,
wurde durch herbe Züchtigungen eingeschüchtert, alle gesellschaftliche Vertrau-
lichkeit vernichtet. Ein Haufen von Angebern umgarnte, was die geheime Po-
lizei nicht einzuschließen vermochte. Das Briefgeheimniß hörte auf. Das ge-
richtliche Verfahren in peinlichen Sachen wurde aller Oeffentlichkeit beraubt. Die
Strafurtheile waren gerade in den wichtigsten Fällen nicht Aussprüche des Rich-
ters aus den Gesetzen, sondern Diktate der absoluten Gewalt. Die Konfskription
wurde mit größerer Härte und Willkür vollzogen. Das uralte Recht der Aus-
wanderung wurde aufgehoben. Das Volk wurde entwaffnet, und selbst zum
Schutz gegen wilde Thiere und Räuber, auch auf einsamen Höfen und Weilern
wurde kein Gewehr gestattet. Die Erlegung eines tollen Hundes wurde bestraft,
weil sie mit einer versteckt gewesenen Flinte geschehen war. Eine Menge neuer
Abgaben drückte den Bürger, Hundstarxe, Tabaksregie, Salzmonopol u. s. w.,
Zoll und Accise wurden großentheils auf das Zehnfache erhöht.“ Am ärgsten
war der Tagdunfug. Friedrich war ein großer Jagdfreund. Oft ließ er sich
das Wild zum Schuß in sichern Stand entgegentreiben. Dies geschah im größten
Maßstabe. Wochenlang mußten die Bauern aus den entferntesten Landestheilen
zu den großen Hauptjagden frohnen, zu Tausenden auf viele Meilen, ja Tag-
reisen das Wild zusammentreiben, wobei sie von Jagdjunkern und Jägern auf
alle Art mißhandelt wurden. Pfister erzählt in seiner „Geschichte der württem-
bergischen Verfassung“, daß allein im Oberamt Heidenheim noch im Jahr 1814
die Jagdfrohnen 20,000 fl. betragen hätten und 5293 Morgen besteuerten
Ackerfeldes wegen Wildschadens unbebaut liegen geblieben seien, ja daß noch im