212 IV. Württemberg als Königreich.
Gesandte, Graf Winzingerode, erklärte damals: „Ganz Deutschland ist man
eine Schadloshaltung für die vergangene und eine Sicherung für die zukünftige
Zeit schuldig; diese wird aber dem Ganzen gar nicht gegeben, wenn ein Theil
desselben, in einer offenen Stellung verblelbend, leer ausgeht. Dazu hat auf
keinem Punkte von den Alpen bis zur Nordsee die Natur die Grenze Frankreichs
so bestimmt vorgezeichnet, wie gegen Süddeutschland in den Alpen“. — So blieb
Straßburg „der traurige Wachtposten, den deutsche Unbedachtsamkeit sich hat ent-
reißen lassen, und der nun in elner ihm übelstehenden Uniform gegen sein eigenes
Vaterland Schildwache stand“.
Die deutsche Bundesakte war noch vor Napoleons Sturz unter-
zeichnet worden (10. Juni). Der in Frankfurt sich versammelnde Bundestag,
der die Gesandten der Staaten des deutschen Bundes unfaßte, hatte 17
Stimmen; 11 Staaten, worunter Württemberg, hatten eine volle, die andern alle
nur eine halbe oder Viertelsstimme. Oesterreich hatte das immerwährende Präsidium.
Die großen Siege über Napoleon hatten die Herzen der Württemberger
wie aller Deutschen freudig bewegt. Sie hofften, daß nicht bloß die französische
Fremdenherrschaft zu Ende sein, sondern auch das Willkürregiment im eigenen
Lande dadurch gebrochen werde. Zwar hatte sich Friedrich den Anträgen Preußens
und Hannovers für ständische Verfassungen hartnäckig widersetzt; aber er hatte
nicht durchdringen können. Sogleich nach seiner Rückkehr aus Wien erließ er,
am 11. Januar 1815, eine Bekanntmachung, „daß er, von dem Augenblicke an,
in welchem gebieterische Verhältnisse die Staatsveränderung von 1806 herbeige-
führt, den Entschluß gefaßt habe, sobald ein fester Stand der Dinge eingetreten
sein würde, dem Königreich eine den Rechten der einzelnen und den Bedürfnissen
des Staats angemessene Verfassung und ständische Repräsentation
zu geben, und daß er sich nun bewogen finde, seinem Volke diese ihm bestimmte
Wohlthat nicht länger vorzuenthalten und dadurch den öffentlichen Beweis abzu-
legen, wie nicht eine äußere Nothwendigkeit oder eine gegen andere übernommene
Verpflichtung, sondern die Ueberzeugung von dem Bedürfnisse einer ständischen
Verfassung für das Interesse des Staats und der Wunsch ihn geleitet habe, auch
hiedurch das Glück seines Volkes für die künftigen Generationen dauerhaft zu
begründen.“ Das ganze Land freute sich über diesen Entschluß seines Fürsten.
Aber als bei der am 15. März eröffneten Ständeversammlung die Verfassungs-
urkunde vorgelegt wurde, waren die Abgeordneten allgemein unzufrieden damit.
Die Altwürttemberger wollten kein „geschenktes“ Recht, sondern verlangten ihr
„gutes altes Recht“ zurück. Die Neuwürttemberger und alle, die kein solches
zu fordern hatten, mediatisirte Reichsfürsten, Reichsgrafen und Reichstädte, ste
alle verbanden sich mit den Altwürttembergern und verwarfen die neue Verfassung.
Zahn von Calw entwarf ein meisterhaftes Gemälde des damaligen Zustandes,
worin alle Schäden aufgedeckt wurden. Die Regierung fieng nun Unterhand-
lungen an. Der König versprach, alle Rechte der alten Verfassung beizubehalten,
welche mit den gegenwärtigen Zeitumständen sich vereinigen lassen; unter an-
derem: Ohne Zustimmung der Stände sollte kein neues, die persönliche Freiheit,
das Eigenthum und die Verfassung betreffendes Gesetz gegeben, alle seit 1806
gegebenen Gesetze einer neuen Prüfung unterworfen, das evangelische Kirchengut
Altwürttembergs vollkommen sicher gestellt und nur zu Stiftungs= und vertrags-
mäßigen Zwecken verwendet, keine Schulden auf das Land gemacht, eine gegen