Full text: Die Geschichte Württembergs.

214 IV. Württemberg als Königreich. 
Moreau gegenüber. Später bereiste er zur Erweiterung seiner Kenntnisse Frank- 
reich und Italien und lebte dann in Stuttgart. Erst in den letzten Jahren der 
napoleontschen Kriege trat er wieder auf den Schauplatz und errang sich in den 
beiden Feldzügen nach Frankreich (1814 und 1815) reiche Lorbeeren. Mit der 
Politik seines Vaters war er nie einverstanden; er haßte Napoleon und liebte 
sein deutsches Vaterland, so daß es ihm wohl lieb sein mochte, daß er an dem 
Kampfe mit Napoleon gegen Rußland (1812) durch eine Krankheit verhindert 
wurde. Seine echt deutsche Gesinnung hat König Wilhelm noch in seinem Te- 
stament ausgesprochen: „Ich habe für die Einigkeit, Selbständigkelt und den 
Ruhm von Deutschland gelebt, mein Württemberg über alles geliebt. Heil 
meinem Vaterland für alle Zukunft!“ 
Im Jahr 1808 hatte sich Wilhelm mit der Prinzessin Charlotte von 
Bayern verheiratet; diese Ehe wurde wieder aufgelöst (1814) 1). Zwei Jahre 
später vermählte er sich mit der Groß fürstin Katharina Paulowna von 
Rußland, der Witwe des im Jahr 1812 verstorbenen Prinzen von Holstein- 
Oldenburg 2). Die Vermählung fand am 24. Januar 1816 zu Petersburg statt. 
Württemberg erhielt in dieser Fürstin eine edle Landesmutter, die jedem Elend 
und jeder Noth gerne Herz und Hand öffnete, und die sich durch viele segensreiche 
Anstalten in dem Herzen ihres württembergischen Volkes ein dankbares Andenken 
bewahrt hat. 
Das Volk empfieng den schon längst beliebten Könlg mit großem Jubel. 
Am Tage der Thronbesteigung noch erklärte er in einem Manifest, „die Wohl- 
fahrt und das Glück der ihm anvertrauten Unterthanen werde das einzige Ziel seiner 
Bemühungen, und es werde sein erstes Bestreben sein, die Erreichung dieser hohen 
Zwecke durch eine dem Zeitgeiste und den Bedürfnissen seines Volkes entsprechende 
und seinen Wohlstand erhöhende Verfassung sicher zu stellen.“ Der König be- 
gann die Regierung mit edlen Gnadenakten; eine Menge von Militärsträflingen 
und 254 Clvilgefangene wurden begnadigt; den Deserteuren wurde der straflose 
Rücktritt in die Armee gestattet. Das Militär wurde vermindert; der Hof ein- 
fach eingerichtet. Der Landmann wurde von den Jagdfrohnen befreit und gegen 
den Wildschaden geschützt. Die geheime Polizei wurde aufgehoben, das Brief- 
gehelmniß strenge eingeschärft und die Freihelt der Presse verkündigt. 
Die bald nach dem Regierungsantritt ausbrechende Theurung und 
Hungersnoth der Jahre 1816 und 1817 erprobte die Treue und Für- 
sorge des Königspaars in der glänzendsten Weise. Nachdem schon einige frühere 
Ernten dürftig gewesen, begann der Frühling des Jahres 1816 mit heftigen 
Regengüssen, die, mit schrecklichen Gewittern abwechselnd und von empfindlicher 
Kälte begleitet, den ganzen Sommer andauerten und das Wachsthum und Reifen 
der Feldfrüchte verhinderten. Manche der Früchte konnten wegen des schon im 
Oktober fallenden Schnees nicht einmal eingeheimst werden. Das in der Nässe 
aufgewachsene Getreide hatte wenig Nährstoffe; die Kartoffeln schlugen ganz fehl; 
Reben und Obstbäume lleferten beinahe keine Frucht, und das geringe Quantum 
von Wein, das gewonnen wurde, war ungenießbar. Gras und Heu waren auf 
1) Charlotte wurde die Gemahlin des Kaisers Franz von Oesterreich. 
2) Sie war die Schwester des Kaisers Alexander; Napoleon hatte ihre Hand 
begehrt, aber nicht erhalten.
	        
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