218 IV. Württemberg als Königreich.
die Karlsbader Beschlüsse gefaßt worden. In denselben wurde die Auf-
hebung der Preßfreiheit, die Einführung der Censur für Schriften unter zwanzig
Druckbogen, die Niedersetzung elner Centraluntersuchungs-Kommission in Mainz,
die Unterdrückung der demagogischen Umtriebe, die Aufhebung der Burschenschaf-
ten und Turnanstalten und die Ueberwachung der Universttäten sammt der Be-
aufsichtigung der akademischen Vorträge der Lehrenden durch eigene Universitäts-
Kommissäre festgesetzt. Diese unheildrohenden Punktationen waren am 20. Sepy-
tember 1819 von den Gesandten des Bundestags unterzeichnet worden. Schon
am 23. Sept. wurde der württembergische Verfassungsentwurf von sämmtlichen
Mitgliedern angenommen und am folgenden Tage unterzeichnet. Am 25. Sept.
wurde sie im Schloß zu Ludwigsburg vom König feierlich bestätigt und am 27.
Sept. öffentlich bekannt gemacht. Die Verkündigung der Verfassung erregte die
größte Freude des Volkes 1); sie wurde vom König mit folgenden Worten be-
gleitet: „Mit freudiger Empfindung verkünden wir unserem getreuen Volke dieses
Ereigniß, welches der Regierung ihre wohlthätige Wirksamkeit, dem Volke seine
gesetzmäßige Frelheit und dem gesammten Vaterlande eine glückliche Zukunft
sichert. Möge die Vorsehung unsre Bemühung für das Glück unsres Volkes
segnen. Mögen alle Keime des Guten, welche in die Verfassung gelegt sind,
unter der sorgsamen Pflege treuer Diener des Staats und würdiger Stände des
Königreichs gedeihen! Mögen künftige Geschlechter die Früchte der Anstreng-
ungen genießen, welche die gegenwärtige Zeit gebietet!“
Die Verfassungsurkunde war in 10 Kapiteln abgefaßt, deren
Hauptinhalt folgender ist: Kap. 1. Vom Königreich: Sämmtliche Bestand-
theile des Königreichs bilden ein unzertrennliches Ganzes. Kap. 2. Vom
König und von der Thronfolge: Der König muß sich zu einer christlichen
Religion bekennen; seine Person ist heilig und unverletzlich. Der Thron vererbt
sich auf den Mannsstamm und nach dessen Erlöschen auf die weibliche Linie. Der
König ist nach zurückgelegtem 18. Jahre volljährig. Der Huldigungseid wird
dem Thronfolger erst abgelegt, wenn er die Festhaltung der Verfassung zugesichert
hat. Kap. 3. Von den Rechtsverhältnissen der Staatsbürger:
Alle christlichen Württemberger haben gleiche Rechte und Pflichten und genießen
die Freiheit der Person, des Eigenthums, ebenso Gewissens= und Denkfreiheit.
Keiner darf länger als 24 Stunden über seine Verhaftung in Ungewißheit blei-
ben. Jeder darf auswandern und nach Belieben Stand und Gewerbe wählen.
1) Die freudige Stimmung, welche das Volk bewegte, spricht Uhland schön und
kräftig in seinem „Prolog zu dem Trauerspiel: Ernst, Herzog von Schwaben“, welches
zur Feier der württembergischen Verfassung am 29. Oktober 1819 im Stuttgarter Hof-
theater aufgeführt wurde, aus:
„Noch steigen Götter auf die Erde nieder,
Noch treten die Gedanken, die der Mensch
Die höchsten achtet, in das Leben ein.
Ja, mitten in der wildverworrnen Zeit
Ersteht ein Fürst, vom eignen Geist bewegt,
Und reicht hochherzig seinem Volk die Hand
Zum freien Bund der Ordnung und des Rechts.
Ihr habts gesehen, Zeugen seid ihr alle:
In ihre Tafeln grab' es die Geschichte!
Heil diesem König, diesem Volke Heil!“