8. 58. König Karl. Der deutsch-fr. Krieg u. die Aufrichtung des neuen deutschen Reichs. 239
und Institute wagte, das wünschte Gambetta in der Absicht, durch den Krieg die
revolutionäre Diktatur zu begründen“.
Im September 1870 begann die Einschließung von Paris; die
Stadt war unter Louis Philipp und Napoleon III. zu einer Feskung ersten Ranges
umgeschaffen worden; eine Umwallung von 94 armirten Bastionen schützte
den innern Umkreis. Die Belagerer zählten auf die unwiderstehliche Macht des
Hungers, da man die Verproviantirung einer solchen Riesenstadt auf Monate für
eine Unmöglichkeit hielt. Darum sollte Paris isolirt und jede Zufuhr abge-
schnitten werden. — So begann an drei Plätzen — Straßburg, Metz und
Paris — ein schwerer Festungskrieg. Die meisten Gefahren drohten vor
Metz. „Hier lagerte die Armee auf einem Leichenfelde, wie die Geschichte kaum
ein zweites kennt, und in den aus demselben aufsteigenden Miasmen lag eine
Gefahr, welche selbst den schließlichen Erfolg in Frage stellen konnte. Diese
Gefahr wuchs, als vom 6. September an unaufhörliche Regengüsse den Boden
durchweichten, die Erde von den mühsam aufgerichteten Grabhügeln wegschwemmten
und die Bivouakplatze der Truppen allmählich in wahre Moräste verwandelten.
In der That begannen Ruhr und Typhus die Reihen zu lichten, die Krankenzahl
stieg auf 15 Prozent. Allein die Truppen hielten standhaft aus und überwanden
alle Schwierigkeiten ihrer Lage, unterstützt und ermuthigt durch die Sorgfalt
ihrer Vorgesetzten, wie durch die Theilnahme der ganzen Nation, welche hier reiche
Gelegenheit fand und freudig ergriff, denen, die muthig für das Vaterland stritten,
den Tribut ihrer Liebe und Dankbarkelt darzubringen". Am 27. September
übergab der heldenmüthige Kommandant, General Uhrich, Stadt und
Festung Straßburg; am 27. Oktober wurde Metz übergeben.
Die Vertheidigung von Paris wurde durch Trochu geleitet, der im
Anfang der Belagerung vergeblich einige Ausfälle versuchte. Während die
Deutschen den ungeheuren Ring um Paris schloßen, machte Thiers eine Reise
nach London, Petersburg, Wien und Florenz, um Unterstützung für sein armes
Frankreich zu suchen; er kehrte aber wieder leer heim. Zugleich wurde von
Tours aus, wohin Gambetta aus Paris mittelst eines Luftballons entflohen
war, ein Massenaufgebot zum Entsatz von Paris versucht. Zu den hierauf ge-
bildeten republikanischen Armeen stieß auch der alte Garibaldi mit einem ge-
ringen Zuzug. Gambetta übte in der Aufstellung der Truppenmassen, sowie in
der Armeeverwaltung den fürchterlichsten Terrorlsmus. Moltke wirkte zunächst
dahin, allen Ansammlungen großer französischer Massen möglichst schnell zuvor-
zukommen und die zahlreichen Korps zu zerstreuen. Die Südarmee stand
unter dem'tüchtigen General Aurelles de Paladine, die Westarmee unter
General Chanzy, die Nordarmee unter General Bourbaki.
Unter großen Entbehrungen und nur nach schweren, blutigen Kämpfen
gelang es den deutschen Truppen, diese französischen Entsatzungsheere in den
schweren Schlachten von Orleans (1 1. Okt.), Chateaudun (18. Okt.),
Coulmiers (9. Nov.), Beaune lä Rolande (78. Nov.), Loigny (2. Dez.),
Le Mans (12. Jan. 18711), Amien s (27. Nov.), Bapaume (7. u. 3. Jan.),
St. Quentin (19. Jan.), Villersexel und Héricourt (9., 15.—17.
Januar) zu besiegen und zu zerstreuen. „Mit Recht hat man die Kämpfe um
Héricoudt mit der Schlacht von Thermopylä verglichen. Der Name der kühnen
Streiter und ihres Führers, des Generals von Werder, werden in der