8. 58. König Karl. Der deutsch-fr. Krieg u. die Aufrichtung des neuen deutschen Reichs. 241
Zur Wiedereinnahme dieser Stellungen war der 2. Dezember bestimmt.
Die Sachsen sollten Brie, die Württemberger Champigny angreifen. Die
Franzosen hatten sich gut befestigt; die Vertheidlgung des Feindes war in Cham-
pigny weit geregelter als in Brie. Alle Häuser waren gefechtsmäßig eingerichtet.
„Der Feind hatte die Fenster mit Sandsäcken und Faschinen ausgesetzt, und aus
den Lucken feuerten die Schützen in gedeckter Stellung. Die württembergischen
Jäger, welche in Champigny eindrangen, vermochten nicht vorwärts zu kommen,
obgleich sie in bewundernswürdiger Ausdauer das mörderische Feuer aushielten,
dem sie jetzt von den Forts her, aus den in den Häusern aufgestellten Mitrail-
leusen und von den Gewehren der Feinde ausgesetzt waren. Aus einer Entfer-
nung von 30—40 Schritt feuerte man auf einander. Barrikade stand gegen
Barrikade. Mit größter Erbitterung und mit der äußersten Zählgkeit wurde von
beiden Seiten gestritten und gerungen. Die erste württembergische Brigade lei-
stete alles, was tapfere Männer leisten können. Der Abend zog herauf, —
die Kämpfer waren auf beiden Seiten ermattet, das Feuer der Infanterie ver-
stummte, nur die Forts warfen noch ihre Granaten. Brie befand sich ganz in
Händen der Franzosen, Champignh hielten sie halb in Besitz, die andere Hälfte
verblieb den Deutschen. Die Sprengung der Cernirungslinie war dem Feinde
nicht gelungen.
In der Nacht auf den 3. Dezember erhielten die Württemberger Verstärk-
ungen. Kaum graute der Tag als der Kampf aufs neue begann. Aber beide
Gegner blieben kn ihren Stellungen. Am 4. Dezember wurde ein neuer Angriff
der Franzosen erwartet, aber — der Feind hatte die Stellungen geräumt. Die-
selben wurden wieder von unsern Truppen besetzt.
Die letzten Ausfälle wagken die Franzosen noch am 13. und 19. Januar
1871. Sie wurden wieder von unsern tapfern Soldaten zurückgeschlagen. Mit
„dem Neujahr hatte die Beschießung der Forts und der Stadt Paris begonnen.
Die Lebensmittel waren in derselben zu Ende gegangen. Man sah sich zum
Frieden gezwungen. Am 22. Janugr dankte Trochu, der geschworen hatte,
daß er sich niemals der Schmach einer Kapitulation unterziehen werde, ab und
gab den Oberbefehl an Vinoy ab. Jules Favre, derselbe Mann, welcher
vor vier Monaten erklärt hatte: „Kein Fußbreit von unsrem Land, kein Stein
von unsern Festungen!“, mußte über die Bedingungen einer Konvention mit-
Bismarck in Versailles unterhandeln. Nach zweitägiger Unterhandlung wurde
ein vom 27. Januar an glltiger Waffenstillstand auf drei Wochen geschlossen.
Dlie Hauptbedingungen der Konvention waren: „Die Forts der Stadt Paris
werden den Deutschen übergeben; die Pariser Truppen haben, außer 12,000
Mann für den innern Sicherheitsdienst, ihre Waffen abzuliefern und als Kriegs-
gefangene in der Stadt zu verbleiben; Paris zahlt innerhalb 14 Tagen 200
Millionen Franken Kontributlon; von deutscher Seite wird die Verproviantirung
der Stadt möglichst erleichtert.“ Thiers wurde zum Chef der Exekutivgewalt
gewählt und ihm das schwere Geschäft des Friedensschlusses übertragen. Am
26. Februar 1871 wurde der Präliminarfrieden von Verseailles ab-
geschlossen, am 1. März von der französischen Natlonalversammlung angenommen
und am 10. Mai 1872 der Frieden in Frankfurt von dem Reichs-
kanzler Fürsten, Bismarck und den französischen Ministern Jules
Favre und Pouyer-Quertier unterzeichnet. Die Hauptbedingungen
Staiger, Geschichte Württembergs. 16