S. 7. Allgemeiner Ueberblick. 19
Tücke brachten den letzten, hoffnungsreichen Staufen auf das Blutgerüst. —
Damit begann der letzte Theil der „kaiserlosen, schrecklichen Zeit“, in welcher die
deutschen Fürsten für die vom Papst ihnen geschickten Schattenkaiser so wenig
thaten, als vorher für die letzten Hohenstaufen. Sie hatten in der Zeit des Inter-
regnums (1254— 1273) für nichts Wichtigeres zu sorgen, als für die Erwei-
terung ihrer Hausmacht. Daraus entspann sich der große Streit mit den Städ-
ten, welche, wie das Landvolk in dieser Zelt des Raubs und Kriegs, in welcher
nur das Faustrecht seine Geltung hatte, schwer zu leiden hatten. Beide sehnten
sich deßhalb nach einem Kalser, der dem schrecklichen Zustand der Gesetzlosigkeit
und Unsicherheit ein Ende machte. Zwar gelang es Rudolf von Habsburg
(1273— 1291), den größten Theill der Fürsten durch energisches Einschreiten
zur Ordnung und Ruhe zu zwingen; aber seine Nachfolger waren nicht die
Männer, die in seinem Sinn und mit seiner Kraft fortwirkten. Darum verfiel
der von ihm begonnene Bau bald wieder und unsere deutsche Geschichte bietet
uns vom 13. bis 15. Jahrhundert das traurige Schauspiel eines immer-
währenden Kampfes zwischen den Kaisern und den Reichsständen, den sich die
kleineren Fürsten zu Nutzen zu machen wußten. Ueberall herrschte die größte
Verwirrung und Unordnung, deren Sitz hauptsächlich Schwaben war. Dieses
Herzogthum war durch den Untergang der Hohenstaufen in viele kleine Gebiete
zersplittert, die sich alle mit der Loslösung vom Ganzen für unabhängig und
selbständig hielten. — Unter diesen kleineren Gebleten zeichnete sich bald vor
allen Württemberg aus, dessen Grafen es von Anfang an verstanden, ihr
Ziel — die Unterdrückung der angrenzenden Gebiete, namentlich der Städte,
und damit die Erweiterung der eigenen Hausmacht — zu erreichen. Und was
sie gewollt, das haben sie auch durchgeführt. Können wir auch nicht alle von
ihnen angewandten Mittel billigen, so werden wir doch mit Bewunderung auf
mehrere dieser thatkräftigen, unbeugsamen Heldengestalten schauen, die den eige-
nen Tod und den Untergang ihres Besitzthums der Nachgiebigkeit vorzogen.
Diese derben, kriegerischen Männer waren es, welche, wenn die Wage des Glücks
auch auf= und abschwankte, nie den Muth verloren, sondern mit kräftigem Arm,
klarem Verstand und kluger Einsicht die damaligen Wirren für sich benützten,
durch rastloses Ringen und Streben ihre Macht erweiterten und dadurch den
Grund zu der jetzigen Ausdehnung unseres engeren Vaterlandes legten.
. 8.
Graf Alrich I., der Stifter. 1246—1265.
„Zu der Zeit war kein König in Israel, und
ein jeglicher that, was ihm recht däuchte."
Richter, 17, 6.
Im herrlichen Neckarthal, zwischen Eßlingen und Cannstatt, erhebt sich 1246
am rechten Ufer des Flusses ein kegelförmiger Berg, der rings mit Reben be- bie
pflanzt ist. Es ist der rothe Berg, der einst die Stammburg unsers Fürsten-
geschlechtes, Wirtenberg 1), trug. Heute ist der Gipfel des Berges mit einer
1) Die Ableitungen des Namens „Wirtenberg“ von „Wirth am Berg“ oder „der
Wirthin Berg“ find wohl zu verwerfen. Schmid hält Wirtenberg gleichbedeutend mit
Wartenberg = der Berg mit der Warte. Nach anderen Angaben ist der ursprüngliche
Name des Schlosses auf dem rothen Berg „Wirdeneberg“ oder „Wirtemberc“ keltischen
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