244 IV. Württemberg als Köuigreich.
halben die Gemüther und die heutige Losung: „Hie Staat! hie Kirche!“ tönt in
unseren Ohren noch greller als der alte Ruf: . „Hie Welf! hie Waibling!“, weil
sich im Streit unsrer Tage die Ultramontanen mit den Socialdemokraten
verbunden haben, denjenigen Reichsfeinden, welche kein göttliches und mensch-
liches Recht, keine staatliche und kirchliche Ordnung, keine Würde und keine Ei-
genthum mehr anerkennen wollen. Dieser Streit hat zwar auch unser Württem-
berg schon berührt; doch ist weiteren Eingriffen in die Rechte des Staats und
der Kirche durch gemäßigtes und weises Auftreten der Regierung und des Bi-
schofs, der den Frieden erhalten will, gewahrt worden. Um so mehr fand ein
anderer Feind, die Spekulationswuth, ein bisher ungekanntes Grün-
dungsfieber, bei uns Eingang. Die Frage: „was werden wir essen, trinken,
womit uns kleiden?“ tritt ganz in den Hintergrund vox der andern: „wie werden
wir am schnellsten reich" Die Art und Weise des Geldgewinns ist den meisten
Nebensache; und gegen wie viele Mittel können die Staatsgesetze gar nicht ein-
schreiten! Hand in Hand mit diesem Geldschwindel geht die fürchterliche Stei-
gerung aller Lebensmittel, Arbeitslöhne u. s. w. Und wie groß ist daneben die
Gottentfremdung, wie viel Unglauben und Aberglauben, wie viel Zucht-
lostgkeit bei Jung und Alt!
Sollen wir darum an unserer Zukunft verzagen? — MWir sagen ent-
schieden: — Nein! In unsrem Volke ruht eine Fülle sittlicher und geistiger
Kraft, welche inneren und äußeren Feinden Trotz bieten und sie besiegen kann.
Das bewies der letzte Krieg, das beweist die Masse von Wohlthätigkeltsanstalten
u. s. w., welche, besonders in Württemberg, reiche Unterstützung finden. Mögen
wir mit einem festen Vertrauen auf die Lenker der Völkergeschicke und mit dem
Zutrauen zu der Kraft und Umsicht unsrer Regierungen stets das klare und deut-
liche Bewußtsein unserer Pflichten verbinden! Machen wir uns werth, Bürger
eines geeinigten, mächtigen Staates zu sein!
„Furchtlos und treu"
will uns unser Fürstenhaus voran gehen; erhalten wir ihm in allen Zeiten als
tapfere und biedere Schwaben unsere treue Anhänglichkeit und unsern Gehorsam
mit dem freudigen Zuruf:
„Hie gut Württemberg allwegl!“