S. 11. Graf Ulrich Ul. 27
kriegerische und streitlustige Sinn seines Vaters ab; er war friedliebender Natur;
dabei aber doch fest und mannhaft genug, um die vom Vater überkommenen Be-
sitzungen und Rechte nöthigenfalls mit dem Schwert kräftig zu vertheidigen.
Wenn er sich aber auch aus Friedliebe förmlicher Eroberungszüge enthlelt und
sich auf Vertheldigungskämpfe beschränkte, so war er doch nicht weniger als sein
Vater auf die Vermehrung seiner Macht bedacht. Er hatte noch zu Eberhard's
Lebzeiten (1324) die Herrschaften Harburg und Reichenweiher im Elsaß
durch Kauf an Württemberg gebracht. Ebenso wußte er das Sinken gräflicher
Häuser, dessen Grund hauptsächlich in schlechter Wirthschaft und in der Theilung
des Ländchens lag, trefflich zu benützen, wie er denn unter anderem dle ganze
Grasschaft Aichelberg, Burg und Stadt Vaihingen, ebenso Burg und
Stadt Tübingen erwarb. Letztere kaufte er den Pfalzgrafen Gottfried II.
und Wilhelm ab. Die Gelder zu diesen wirklich bedeutenden Ankäufen hatte
Ulrich meist durch die Reichslandvogteien und durch Hllfelelstung bei kaiserlichen
Fehden erworben.
Zu letzterein gab es genügenden Anlaß; denn Deutschland lebte in einer
gar traurigen Zeit. Aufgehetzt durch Frankreich und noch mehr durch schlechte
Päpste, kehrte es seine Waffen gegen sich selbst. Kalser Ludwig hatte nach Fried-
richs Tode, mit dem er sich in die Kaiserherrschaft getheilt hatte, die Gewalt
allein übernommen und machte, um die Ordnung im Relch herzustellen, zunächst
einen Zug nach Schwaben, wo er in Eßlingen (1330) den Grafen Ulrich in
allen seinen Rechten bestätigte und ihm die Lan dogtei in Niederschwaben
übertrug. Hierauf zog er an den Rhein; Ulrich begleitete ihn und erhlelt für
seine Dienste auch noch die Reichslandvogtei im Elsaß. — Beim Kauf
der Burg und Stadt Markgröningen wurde dem Grafen vom Kalser die Reichs-
sturmfahne als Lehen gegeben. Die Württemberger Grafen blieben von da an
die Reichssturm fähndrriche und damit die Besitzer einer der höchsten Reichs-
würden.
Mit dem letzten Zug des Kalsers schien nun die Ruhe hergestellt; als aber
Ludwig mit dem Bann und das ganze deutsche Reich mit dem Interdikt belegt
wurde, war wieder allenthalben Unordnung und Verwirrung. Es sollte kein
Gottesdienst mehr gehalten, kein Sakrament gespendet, keine Ehe eingesegnet,
kein Todter in geweihter Erde begraben werden. Nun hatten sich aber die Grafen
von Württemberg von Anfang an einen bestimmten Einfluß auf die Kirche ihres
Landes gewahrt. Sie eigneten sich die Gerichtsbarkeit über die Geistlichkeit
ihres Landes, sowie über die Klöster, die sich nach und nach ihrer Schirmvogtei
unterstellten, an. Wenn sie auch an Bekenntniß und gottesdienstlichen Ordnungen
nichts zu ändern wagten, so zogen sie doch das Aufsichtsrecht über die
Kirche an sich. Sie standen also in dieser Bezlehung den Päpsten freier gegen-
über als selbst der Kaiser. Darum machte auch Ulrich nach jenem Bann und In-
terdikt wenig Umstände; die päpstlichen Bannbriefe wurden, abgerissen und die
ungehorsamen Geistlichen fortgejagt. Mit alledem war aber die Sache nicht besser
gemacht; das gemeine Volk verwilderte und in den Städten gieng der alte Kampf
zwischen den Adelsgeschlechtern und den aufstrebenden Bürgern auf's neue los.
Ueberall war Zern ürfniß, Unsicherheit und Verwirrung; die Zeit des Faustrechts
mit all ihren Schrecken war wieder da; denn Gesetze wurden wohl gegeben, aber
nicht gehalten. Wie ungehindert das Raubritterthum waltete, sehen wir beispiels-