28 II. Württemberg als Grasschaft.
weise an Ulrichs Gefangennahme durch seinen alten Feind, Ritter von Vinstingen,
der ihn bei der Rückkehr von einem Turnier in Metz überfiel und nur gegen
schweres Löesgeld (100,000, nach andern nur 1000 Mark) wieder freigab.
Ueber derartlge Gewaltthaten beim Kaiser zu klagen, hielt man für ganz nutzlos;
denn dieser war entweder zu schwach oder zu ängstlich, gegen wilde Raubritter
entschieden aufzutreten. Zudem war man schon lange her gewöhnt, sich sein Recht
selbst zu verschaffen, und zwar in der Regel mit dem Schwert.
B. Württembergs blutige Kämpfe gegen Habsburg, den niedern
Adel und die Städte. Bis zur Theilung des Landes.
Ein Zeitraum von 100 Jahren. 1344—1441.
§. 12.
Allgemeiner, Aeberblick.
Zersplitterung und Vereinzelung — diese beiden Worte zeichnen
uns den Charakter des politischen Lebens im verfallenden deutschen Reiche wäh-
rend dieses neuen Zeitraums. Zuerst und vor allen sündigten die Kaiser, die
ihre Würde hauptsächlich zur Vergrößerung ihrer Hausmacht benützten. Durch
die neben einander feindsellig aufwachsende Macht der Häuser Bayern, Luremburg
und Oesterreich wurden Macht und Ansehen des Reiches nach innen und außen ge-
schwächt. Jeder ehrliche Deutsche erröthet, wenn er sieht, wie jene Kaiser mit
der erbärmlichsten Charakterlosigkeit von einer Seite zur andern schwankten, mit
ein und denselben Reichsständen Bündnuisse schloßen und sogleich wieder brachen,
wenn ihr Eigennutz letzteres zu erheischen schien. Wir zeigen auf Karl IV.,
welcher mit schmählicher, französischer Politik alle Ehrlichkeit, Kaiserpflicht und
Mannesehre außer Acht ließ, der für das Reich wohl ein schimmernder
Kaiser war, für seine Hausmacht aber ein starker König sein wollte, der,
wle nachher Wenzel, Versprechen gab und wieder brach, seinen Arm den Städten
lieh, wenn sie im Glück waren und ihn in ihrem Unglück ihren Feinden darbot.
Durch solche welsche Kniffe wurde das deutsche Rechtsgefühl zerstört, deutsche
Sittlichkeit nledergetreten und es mußte nothwendig erscheinen, daß ein deutscher
Kaiser, um der weitern Zerstücklung Deutschlands vorzubeugen und dem Auslande
gegenüber eine Ehrfurcht gebletende Stellung einzunehmen, eine bedeutende Haus-
macht gründe. Das Streben hiernach sowohl, als auch die Schwäche einzelner
Kalser gab den Fürsten das Recht und dle erwünschte Gelegenheit in dle
Hand, ihre Besitzthümer auf Kosten des Reichs zu erweitern und eine Landes-
hoheit zu gründen. Um diesen Zweck zu erreichen, wählten sie Kalser ohne grö-
ßere Macht, hielten mit ihnen, wenn sie Nutzen dabel fanden, und verbanden sich
gegen sie, wenn letzteres zu ihrem eigenen Interesse ausschlug. Daß sie in den
Mitteln nicht wählerisch waren, sehen wir am besten an den manchfachen Bünd-
nissen des höhern und niedern Adels in Schwaben und am Rhein, wo sich einer-
seits Verbindungen des kleineren Adels gegen die wachsende Macht der Württem-
berger (Schlegler), andererseits Bündnisse der gesammten Grafen= und Ritter-
schaft (Löwenbund) gegen den Städtebund bildeten. Alle diese Verbindungen
aber waren nicht im Stande, Friede und Ordnung zu schaffen; vielmehr hielten