30 II. Württemberg als Grasschaft.
nisse Deutschlands mit klarem Auge zu durchschauen und durch kluge Benützung
der oft schnell sich ändernden Zeitumstände das zu gewinnen, was rohe Kraft und
scharfe Schwerter nicht immer erzlelen können. Seine ganze Reglerungsgeschichte ist
darum ein steter Wechsel zwischen Kriegen und Verhandlungen; nur selten ruhte
sein Schwert, das ihm jedoch meist von überlegenen Feinden in die Hand ge-
zwungen wurde.
Eberhard übernahm gemeinschaftlich mit seinem jüngeren Bruder die Regle-
rung. Dieser stand dem älteren, dem tapfern „Ritter ohne Furcht“, an Geistes-
gaben nach und überließ ihm zunächst die Hauptsache in den Regierungsgeschäften.
Anfangs nahmen die Grafen eine freundliche Stellung zu Kaiser Ludwig ein; erst
als dessen Sohn, Herzog Stephan von Bayern, dle Landvogtei in Oberschwaben
übernahm und die landvogtellichen Rechte Eberhards in Nlederschwaben verletzte,
trat dieser energisch auf und vermochte Ludwigs Plan, wieder ein Herzogthum
Schwaben zu errichten, zu nichte zu machen. Diese Angelegenheit hatte zur Folge,
daß die Grafen sich mit dem Gegenkaiser Karlvon Böhmen verbanden, dem
sie nach Ludwigs Tode (1342) auch treu blieben. Karl IV. wußte die Hilfe der
Württemberger zu schätzen, bestätigte sie in allen ihren Rechten und der Reichs-
landvogtei in Niederschwaben, verlieh ihnen den Zoll zu Göppingen und zahlte
70,000 fl.
So war das Verhältniß zum Kaiser ein günstiges, doch anders den Städ-
ten gegenüber. Eberhard machte seine Rechte als Landvogt mit großer Strenge
geltend und dehnte dieselben oft weit über Gebühr aus. Dadurch entstanden Rei-
berelen zwischen ihm und den Städten, die hauptsächlich darin ihre Nahrung fan-
den, daß die Städte entflohene Leibelgene der Grafen als Pfahlbürger 1) aufnah-
men, wogegen Eberhard den Städten die Straßen und Wege verlegte und Zölle
und Abgaben erhöhte. Die Folgen davon waren die greulichsten Gebtetsver-
wüstungen, wobei Städte und Dörfer verbrannt, Felder und Weinberge verheert
wurden. — Kalser Karl hatte, um die Verfassung zu befestigen, auf einem Reichs-
tag zu Nürnberg (1356) die goldene Bulle erlassen, in welcher auch die nöthi-
gen Bestimmungen getroffen waren, um Recht und Sicherheit zu handhaben und
das Faustrecht zu beschränken. Nach derartigen Verordnungen wurde aber in
Schwaben nicht viel gefragt; durch das Gesetz über die Pfahlbürgerschaft waren
die Städter, durch das über das Faustrecht waren die Adeligen verletzt worden.
Um Frieden zwischen beiden Parteien zu stiften, kam Kaiser Karl selbst nach Eß-
lingen, wo er aber wegen eines Aufstandes der Einwohnerschaft ins württem-
bergische Gebiet fllehen mußte 1) (1360). Das sollte Eßlingen schwer büßen; der
Kaiser beauftragte Eberhard, die Stadt zu züchtigen, die sich nach langer Bela-
gerung und der Verwüstung ihres Geblets endlich ergab und dem Kaiser 60,000 fl.,
dem Grafen 40,000 fl. bezahlen mußte. Der dankbare Kaiser aber erließ dem
1) „So ein Bauer hinter einem Grafen, Herrn oder Edelmann sitzet und Güter
hinter ihm hat, und dann derselbig Bauer in eine Stadt zeucht und das Burgerrecht
kauft, der wird bei den Städtern ein Pfahlburger genannt, und daß er dann seine Güter
an dem Land, da sie liegen, banen möge und von solchen Gütern keine Stenern oder
Gewerff (Frohndienst) dem Herrn oder Edelmann, darunter sie liegen, geben darf.“ Wencker
de Pfahlburgis.
2) Der Kaiser und die Fürsten saßen gerade bel einer Berathung im Speisesaal
des Barfüßerklosters, als ein wilder Haufe eindrang und den Kaiser beschimpfte. Dieser
konnte sich nur durch den Klostergarten noch retten.