Full text: Die Geschichte Württembergs.

90 III. Württemberg als Herzogthum. 
lichen ehelichen Verhältniß zwischen beiden Eltern hatte er bis zu des Vaters Tod 
zu tragen. Die Liebe des angestammten Volkes und die Sorge befreundeter Fürsten 
konnten lange nichts gegen die Macht des siegreichen Kaisers ausrichten, in dessen 
Hand die Geschicke Württembergs und seines künftigen Herrschers gelegt waren. 
Mit List und endlich mit Gewalt versuchte Karl V. alle Wege, welche den Prinzen 
in sein Land hätten zurückführen können, zu versperren. Das einfachste Mittel 
war, daß er sich der Person Christophs selber bemächtigte. 
Nach der Eroberung Württembergs durch den Schwäbischen Bund und der 
schmählichen Uebergabe des Schlosses Hohen-Tübingen wurde Christoph — er 
war noch nicht 5 Jahre alt — nach Innsbruck gebracht, wo er von Erzherzog 
Ferdinand dem Rechtsgelehrten Wilhelm von Reichenbach zur Erziehung 
mit dessen Kindern übergeben wurde. Dieser unterrichtete ihn fleißig im Latei- 
nischen und hielt ihn zur Gottesfurcht an. Neun Jahre später wurde Christoph 
der Pflege und dem Unterrichte des Michael von Tiffernus (Tybein), eines 
vortrefflichen Lehrers und Erziehers 1) anvertraut und nach Wienerisch-Neuftadt 
gebracht. Diefer führte ihn in die Wissenschaften ein und brachte ihm im Lateinischen 
so hohe Kenntnisse bei, daß Christoph diese Sprache ohne Mühe sprechen konnte, 
wobel zu bemerken, daß er ein begabter, fleißiger, beharrlicher und strebsamer 
Schüler war. Durch sein lebhaftes Wesen und seinen freien Geist fiel er bald 
dem Kalser auf, der ihn darum zu seinem Vorleser bestimmte und in sein Kabinet 
einführte. Hler, sowie in der Begleitung des Kaisers auf dessen Reisen erweiterte 
sich Christophs Geschichtskreis und er hat die tiefen Einblicke, die er bei Karls 
Vertraulichkelt gegen ihn in das Staatswesen werfen konnte, treulich verwerthet 
und benützt. Aber dleses für Christoph so günstige Verhältniß war von kurzer 
Dauer. Auf dem Reichstag zu Augsburg (1530) hatten die Fürsten 
erfolglos um die Zurückgabe Württembergs an Ulrich gebeten. Das Land fiel 
an das Haus Oesterreich. Christoph war dabel, namentlich durch näheren Um- 
gang mit dem Landgrafen Phllipp von Hessen, mit seinen Familienverhältnissen 
bekannt geworden, wie auch mit seinen Rechten und Ansprüchen auf Württemberg. 
Bald wurde der Kaiser deßhalb argwöhnisch gegen den Prinzen und suchte 
ihn auf immer unschädlich zu machen. Karl zog nach beendigtem Reichstag 
durch Italien nach Spanten, wo Christoph in ein spanisches Kloster gesteckt 
werden sollte. Sein Lehrer aber erfuhr den ganzen Anschlag, theilte ihn dem 
Prinzen mit und schlug ihm vor, den kaiserlichen Troß heimllch zu verlassen. Auf 
der Grenze zwischen Tyrol und Italien unternahmen beide die Flucht mit verkehrt 
beschlagenen Pferden. Christophs Pferd hinkte auf der Flucht und mußte in einen 
Sumpf geworfen werden. Der Prinz fand bei den Herzogen von Bayern Schutz 
und Förderung in seinen Ansprüchen an Württemberg 2). Sogleich erhob Christoph 
  
  
1) Tiffern war seinem geliebten Prinzen in allen Stücken in unverbrüchlicher 
Treue zugethau. So bewahrte er ihn im Jahre 1529 mit großer Entschlossenheit und 
eigener Lebensgefahr vor türkischer Gefangenschaft. 
2) Von den Flüchtigen konnte der Kaiser keine Spur entdecken. So schreibt 
König Ferdinand an Dietrich Spät, den Rath Sabinas: „Wir wollen Dir in gnä- 
digem Vertrauen anzeigen, daß der jung Herzog zu Wirtenberg an unsers Bruders Hof 
verloren, und anf diesen Tag zu Mantua niemand, wo er hingekommen sein soll, wissend 
ist, aber uns anheut durch einen Kaplan K. M angezeigt, daß er gemelten Herzog ein 
wenig vor Salzburg her auf der Straßen betreten und reuten sehen, der auch nur selb-
	        
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