dahin. Täglich verschwinden in den Großstädten ganze Waren-
lager und tauchen nachher in den „Kleinen Anzeigen“ der
Zeitungen wieder auf; in irgendeinem Hinterhaus, drei
Treppen links, werden stückweise viertausend Meter Leine-
wand verkauft. Der halbe Anzeigenteil der „Freiheit“, des
Organs der Unabhängigen, ist weiter nichts als Hehler-
vermittlung: da erfahren die Arbeiter, wo sie Spiralbohrer
und Kupferlitze und anderes gestohlenes Gut verschärfen
können. Auf dem Lande erscheinen Räuberbanden, räumen
die Räucherkammern und die Kornkästen aus und schlachten
auf offener Wiese die Milchkühe ab. Dann regquirieren sie
einen Sonderzug und fahren nach Hause. Hie und da wird
ein Bauer dabei erschlagen.
Das ist „die kaiserlose, die schreckliche Zeit“. Spätere
Chroniken werden davon berichten wie heute von der Zeit
der Schnapphähne in vergangenen wüsten JZahrhunderten.
Selbst Herr David wird kaum behaupten können, daß das
„alte Spstem“ oder die alldeutschen Kriegehetzer dafür ver-
antwortlich seien.
In der Preußischen Landesversammlung wird eine Anfrage
des Zentrums über Verstärkung des polizeilichen Schutzes
gegen räuberische Uberfälle auf dem Lande beraten. Außer
den Antragstellern schildern auch Angehörige aller anderen
bürgerlichen Parteien die anarchischen Zustände, die so sehr
jenen ähneln, die in der Mark Brandenburg herrschten, ehe —
vor nunmehr über 500 Zahren — die Hohenzollern kamen
und Ordnung schafften. Aur daß damals die Räuber bloß
Spieße hatten, keine Handgranaten und Parabellumpistolen.
Und daß, wenn auch die Landstraßen unsicher waren, doch
wenigstens in den Städten eiserne Zucht gehalten wurde.
Ja, das waren noch die guten alten Zeiten! Man hätte er-
warten sollen, daß auch aus sozialdemokratischem Munde in
der Landesversammlung eine scharfe Verurteilung der Räu-
153