Noch einmal, und diesmal ganz leutselig mit „Ihr“ und
„Euch“, spricht der Landesvater vom Balkon aus zu dem
Volk draußen auf dem Platz vor dem Theater. Man emp-
findet das als eine störende Unterbrechung der Musik. Gleich-
gültig und ohne jede Kundgebung wird zugehört. Paper
und einige andere Abgeordnete sind binuntergelaufen und
schicken wenigstens für ihre Person ein dünnes Bravo hinauf.
Dann rettet die Musik die peinliche Situation. Sie spielt:
„Oeutschland, Deutschland über Alles“, und die Buben und
Mädchen unten singen tapfer mit.
ODer neue Herr ist aber nun auch vor allem Volk in Eid
und Pflicht genommen. Er wird treu an der Verfassung
und den Befehlen der sozialdemokratischen Fraktion festhalten.
Oder nur an diesen? In der Verfassung stehen viele Oinge,
die er nicht halten kann, so die Gewährleistung des Eigen-
tums, das durch das Beschlagnahmegesetz bereits vogelfrei
geworden ist.
Zm Artikel 41 der von ihm beschworenen Verfassung beißt
es: „Her Reichspräsident wird vom ganzen deutschen Volke
gewählt.“ Ebert ist aber nur von seinen Getreuen in der
Nationalversammlung gekürt, der Sozialdemokratie, der De-
mokratie, dem Zentrum; seine erste Tat müßte also, wenn
er den Verfassungseid halten will, darin bestehen, daß er
abdankt und die endgültige Präsidentenwahl durch Volks-
abstimmung anberaumt. Er wird sich aber wohl beherrschen
können, trotz des soeben geleisteten Schwures, daß er die
Verfassung „gewissenhaft erfüllen“ werde.
Und im Artikel 112 der Verfassung steht geschrieben:
„Kein Oeutscher darf einer ausländischen Regierung zur
Verfolgung oder Bestrafung überliefert werden.“
Ehe der gallische Hahn dreimal kräht, hat Friedrich Ebert
seinen Eid gebrochen.
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