— 122 —
Gerichte bevorzugte, findet seine Erklärung in der politischen Seite
der Sache. Man erhob die Klage, daß Crell durch seine Maß-
nahmen den gemeinen Frieden des Reiches und vor allem den
Bestand des Hauses Österreich habe „turbieren“ wollen, und daß
er jene Sachsen mit der Pfalz und Frankreich verknüpfende
Politik völlig ohne Vorwissen seines Herrn oder mit dessen Täu-
schung getrieben habe. Der Prager Appellhof fand demgemäß, daß
der Beklagte durch solches Verschulden „sein Leib und Leben ver-
würket und also, andern zum Abscheu, mit dem Schwerte gerecht-
fertigt werden sollte“. Am 22. September 1601 wurde dieses
in jeder Beziehung anfechtbare Urteil dem nun schon zehn Jahre
in Gefangenschaft lebenden Manne mitgeteilt, der, gerechtester
Entrüstung voll, eine „Läuterungsschrift“ abfaßte, die ihm frei-
lich wenig nützen sollte. Am 23. September legte als an dem
Tage der Mündigwerdung Christians II. der Administrator seine
Verwaltung nieder. Es war die erste Regierungshandlung des
neuen Kurfürsten, daß er das Urteil gegen Crell bestätigte.
Am 5. Oktober nahm Christian II. die Huldigung entgegen;
am nämlichen Tage wurde Crell vom Königstein nach der Ge-
richtsstube des Dresdener Rathauses verbracht und dort drei Tage
lang von den Geistlichen, unter denen sich Nikolaus Blume, der
Pfarrer von Dohna befand, auf seine calvinischen Sünden be-
arbeitet; hierbei hätten, nach dem Berichte des Gottesmannes,
er und seine Kollegen des Lammes Hörner abgenommen und da-
gegen Mosis Hörner aufgesetzet. Dann wurde Crell vor das
hochnotpeinliche Halsgericht gebracht und von diesem ohne weiteres
der Stab über ihn gebrochen. Alsdann wurde unter Beiseitelassung
aller sonstigen Formalitäten der gichtbrüchige Mann auf seinem
Stuhle nach dem auf dem Jüdenhofe errichteten Blutgerüste ge-
tragen. Nach einem kurzen Gebete des Unglücklichen waltete der
Scharfrichter Pols seines Amtes und rief nach vollstrecktem Ur-
teile: „Das ist ein calvinischer Streich! Seine Tafelgesellen mögen
sich wohl fürsehen, denn man schont allhier keinen!“ Auf dem
heute noch erhaltenen Richtschwert hat der Mann eingravieren
lassen: Conradus pols Caye Calviniane. D. N. C. (hüte dich,
Caloinist. Doktor Nikolaus Crell). Während Kurfürst Christian I.