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des Aufenthaltes in fremdem Lande voll und satt, nach Hause
reiste, blieb Senfft nur zu dem Zwecke in Paris, um die Erfurter
Angelegenheit zu betreiben. Aber bei der fast täglich wieder—
holten Nachfrage Senffts schützte der Minister immer mangelnde
Instruktion vor, um schließlich mit Bosheit zu erklären, nun—
mehr sei der günstige Augenblick vorbei.
Die wegen der Kinderlosigkeit Josefinens von Napoleon ein-
geleitete Scheidung erfolgte, zunächst nur standesamtlich und zivil-
rechtlich, zwei Tage nach der Abreise des Königs von Sachsen, am
15. Dez.; die kirchliche Annullierung — nicht Scheidung — der Ehe
wurde durch eine in ihrer Kompetenz zum mindesten sehr zweifel-
hafte geistliche Kommission im Januar 1810 ausgesprochen, also
nicht durch Papst Pius 'VII., der damals als Gefangener Napoleons
in Savona lebte und den Räuber des Kirchenstaates in den
Bann getan hatte. Als zweite Gemahlin nahm Napoleon zu-
nächst eine Schwester seines Bundesgenossen von Tilsit und Erfurt
in Aussicht; als aber dies Projekt namentlich an der Abneigung
der Kaiserin-Mutter scheiterte, trat sofort das andere, schon im
stillen vorbereitete in den Vordergrund, nämlich das einer Verbin-
dung mit Marie Louise, der Tochter des Kaisers Franz I. von ÖOster-
reich. Aber auch eine dritte Prinzessin wurde genannt, nämlich
die Prinzessin Auguste Marie, das einzige Kind des Königs von
Sachsen. Diese Dame, die schon als neunjähriges Kind von der
Reformpartei in Polen zum Gegenstand politischer Kombinationen
gemacht worden war, war zunächst von einem Großherzog von
Toskana, Ferdinand III., damals Großherzog von Würzburg (seit
1805), ins Auge gefaßt worden, dann hatte die königliche Fa-
milie sic mit ihrem Oheim, dem Prinzen Max vermählen wollen;
ferner hatte Kaiser Franz I. im Frühjahr 1807 sich um ihre
Hand beworben; aber diese Werbung zerschlug sich, weil Napoleon
sie für den Augenblick nicht passend fand. Endlich hatte Napoleon
im Jahre 1807 den sonderbaren Gedanken gehabt, die damals
25jährige Prinzessin mit seinem Bruder Jérôme zu verheiraten,
damit nach dem Tode des Königs Westfalen und Sachsen zu
einem Reiche vereinigt werden möchten. Nun erzählte das Ge-
rücht, daß er selbst als Werber bei der Tochter des Hauses Wettin