Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

462 Verfassungsstreit in Berlin und Frankfurt. 1862 
neuen Wahlgesetzes sein solle, da der Kurfürst das Gesetz von 
1849 nicht für rechtsbeständig halte. Damit war die Com- 
petenz des Landtags, dieses Mal von kurfürstlicher Seite, in 
Frage gestellt; der Landtag protestirte, und begehrte recht- 
zeitige Vorlage des Budgets, und als darauf eine aus- 
weichende Antwort kam, wenigstens einen Antrag der Re- 
gierung auf Bewilligung eines außerordentlichen Credits. 
Otker, der am 15. October in tiefem Geheimniß mit Bismarck 
verhandelt, und in ihm, entgegen dem liberalen Vorurtheil, 
den hervorragenden Staatsmann erkannt hatte, wandte sich 
bei diesen neuen Schwierigkeiten wieder nach Berlin, und als 
im November der Kurfürst plötzlich die Minister entließ und 
die Ständeversammlung auf unbestimmte Zeit vertagte, er- 
folgte auf der Stelle Bismarck's entscheidender Gegenzug. 
Noch war der diplomatische Verkehr zwischen den beiden Höfen 
seit dem Abbruch nach Willisen's Sendung nicht wieder her- 
gestellt; Bismarck sandte also durch einen Feldjäger ein 
Schreiben direct an Herrn von Dehn, worin er das Ver- 
fahren des Kurfürsten lebhaft beklagte, die Unmöglichkeit aus- 
sprach, daß Preußen nochmals zwischen seinen Provinzen poli- 
tische Händel so bedenklicher Art aufkommen lasse, und die 
Absicht ankündigte, bei fernerem Ubelwollen des Kurfürsten 
im Einklang mit dessen Agnaten die nöthigen Vorkehrungen 
einzuleiten. Dics traf schärfer zum Ziel als vor sechs Mo- 
naten Bernstorff's militärische Rüstung. Der Kurfürst haßte 
auf der Welt nichts mehr als seine Agnaten, welches Gefühl 
dann von diesen herzlichst erwidert wurde; auch war es gewiß, 
daß Osterreich keinen Widerspruch erheben würde, wenn 
ein Familienrath die Regierungsunfähigkeit des unverbesser- 
lichen Fürsten ausspräche. So fügte er sich mit ohnmäch-
	        
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