Full text: Auswahl für das Feld.

über die Berge des Wasgaus die Stimmen des Hasses entgegen; 
ernste Gelehrte sogar muten uns zu, die altdeutsche, durch Hekatom- 
ben unserer Männer wiedergewonnene Westmark freiwillig heraus— 
zugeben, eine freche Beleidigung, die wir nur im Bewußtsein unseres 
guten Rechtes mit kalter Verachtung erwidern können. Es ist 
nicht anders, der Krieg von 1870 wirkt in der Gestaltung der 
Staatengesellschaft viel länger nach als einst die Befreiungskriege. 
Der unbelehrbare Haß der Nachbarn bannt unsere auswärtige 
Politik auf eine Stelle, erschwert ihr die überseeische Machtent- 
faltung. Wir hoffen auch, sobald die alte lähmende Eifersucht 
schwände, Osterreich und Deutschland als freie Verbündete selb- 
ständig nebeneinander ständen, dann würde unser Volkstum an 
der Donau kräftiger aufblühen. Auch dies war ein Irrtum. Rück- 
sichtslos vollstrecken die subgermanischen Nationen des Donaureichs 
das alte Gesetz des historischen Undanks gegen ihre deutschen Kul- 
turbringer, und furchtbar ernst tritt an uns die Mahnung heran, 
mindestens daheim, wo wir die Herren sind, jeden Zollbreit deut- 
scher Gesittung gegen ausländische Gewalten zu behaupten. Es 
war der Lauf der Welt, daß nach dem Siege der Waffenstillstand 
der deutschen Parteien gekündigt wurde. Immer roher und gröber 
gestalteten sich von Jahr zu Jahr unsere Parteikämpfe; sie be- 
wegen sich selten um politische Gedanken, meist um wirtschaftliche 
Interessen, sie schüren den Klassenhaß, bedrohen den Frieden der 
Gesellschaft. 
Diese Vergröberung der Politik hat ihren tiefsten Grund in 
einer bedenklichen Wandlung unseres gesamten Volkslebens. Vieles, 
was wir sonst für eine Eigentümlichkeit des sinkenden Altertums 
hielten, ist in Wahrheit die Ausgeburt jeder überbildeten städtischen 
Kultur und wiederholt sich heute vor unseren Augen. Eine de- 
mokratisierte Gesellschaft trachtet nicht, wie die Schwärmer wähnen, 
nach der Herrschaft des Talents, das immer aristokratisch bleibt, 
sondern nach der Herrschaft des Geldes oder des Pöbels, oder 
auch nach beiden zugleich. Erschreckend schnell schwindet dem neuen 
Geschlechte, was Goethe den letzten Zweck aller sittlichen Erziehung 
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