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Auch bulgarische Regierung wird durch Graf Oberndorff aufgefordert, unsere
diplomatische Aktion in Wien zugunsten der neutralen Vermittlung zu unterstützen.
Beide Regierungen sagen Unterstützung zu, geben sich aber keiner Hoffnung auf
Erfolg hin.
Graf Wedel meldet nach Kenntnis, daß wir mit sofortiger Friedensdemarche
einverstanden sind, daß neutrale Vermittlung in Wien nicht zu erreichen, weil
man sich in Wien Rolle des Friedensstifters nicht von
anderem nehmen lassen will und Kaiser Karl sich von ihr
Wiederherstellung entschwundenen Vertrauens zur Krone verfpricht, was bei
Furcht vor Revolution als höchstes Ziel angesehen wird. Selbst bei Nichtgelingen der
Demarche rechne man Vertrauenserfolg, da von Wien ausgehende Note Justimmung der
öffentlichen Meinung finden wird, die von Friedenssehnsucht beherrscht wird, daber
Absendung der österreichischen Note sicher. Man würde sich in Wien damit begnügen,
uns die Demarche vorher mitgeteilt zu haben und lieber auf unsere Zustimmung ver-
zichten als Ausführung aufgeben.
12. September. Graf Wedel erhält Weisung, Graf Burian sofort aufzu-
suchen, um ihn nochmals vor seinem Friedensschritt zu warnen und ihm erneut zu er-
klären, daß Eindruck in Deutschland sein würde: Österreich-Ungarn verrät uns. Wir
sind außerstande, diesen Eindruck zu verhindern. Graf Wedel soll nochmals zugunsten
neutraler Vermittlung sprechen und besonders ausführen, daß,falls diese scheitere, uns
alle andern Wege offen blieben, während bei Einschlagen Burianschen Schrittes kein
anderer Weg, besonders nicht Aufrufung Neutraler) möglich sei. Deutsche Regierung
könne nach österreich-ungarischem Schritte nicht erklären, daß sie ihm vorher zuge-
stimmt hätte. Verantwortung für Sperrung der Mediation bhleibe bei
Graf Burian.
Graf Wedel meldet, daß Burian auf Hinweis der Gefährdung Bündnisses feier-
lich betont habe, er werde durch bündige Erklärungen jeden Zweifel an Bündnistreue
rasch zerstreuen. Etwas später erscheint Kabinettschef Graf Coloredo bei Graf Wedel
und teilt mit, daß Graf Burian Friedensnote am Sonnabend, den 14. d. Mts.) los-
lassen werde. Die Gründe dafür seien uns bekannt, Burian werde darin bestärkt durch
Mitteilung Wiener Schweizer Gesandten an türkischen Botschafter, wonach Schweiz
kürzlich Friedensfühler bei Entente ausgestreckt und von dieser Antwort erhalten habe,
daß Mediation neutraler Macht als unfreundlicher Akt betrachtet werden würde. In
demselben Sinne habe sich neuer schwedischer Ministerpräsident geäußert und bezüglich
des Zeitpunktes der Aktion habe sich Generalfeldmarschall von Hindenburg ja
ausdrücklich mit sofortiger Aktion bereit erklärt. Burian bittet um Einwirken auf
unsere Presse, damit keine Mißstimmung hervortritt. Sollte dies trotzdem eintreten,
so garantiert er, Iweifel an Österreichs Bundestreue innerhalb 24 Stunden zu zerstreuen.
Schließlich bat Burian, deutsche Regierung möchte möglichst bald zustimmen, auf Note
antworten, damit eventuell Mißdeutung bei Gegnern, als bedeute Aktion einen Separat-
schritt Osterreich-Ungarns, von vornherein die Spitze abgebrochen werde. Veröffentlichung
der Note sei für Sonntagvormittag beabsichtigt.
Pinz Hohenlohe teilt Staatssekretär schriftlich mit, daß er ein Telegramm Graf
Burians erhalten habe mit der Mitteilung, daß Österreich-Ungarns Demarche am Sonn-
abend, den 14. d. M. erfolgen würde.
13. September. (Ankunft des Telegramms 2 Minuten nachmittags.)
Auf erneute Vorstellungen des Grafen Wedel wiederholt Burian seine bekannten Gründe