Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

1. Abschnitt. Allgemeine Vorschriften. (8 1.) 31 
Aufklärung hierfür gibt die Reichsverfassung selbst, die sich in zwei- 
facher Richtung mit der Staatsangehörigkeit befaßt: sie gewährleistet 
einerseits den Angehörigen des einen Bundesstaats gewisse Rechtsvorteile 
in den Gebieten aller übrigen Bundesstaaten und sie zählt anderseits 
die Bestimmung über das Staatsbürgerrecht zu den Gegenständen, welche 
der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches unterliegen (Art. 3 
und Art. 4 Ziff. 1 der Reichsverfassung vom 16. April 1871, abgedruckt 
unten S. 199). Rechtlich stellt sich das Verhältnis so dar, daß die Einzel- 
staaten mit dem Abschlusse des Vertrags über die Gründung des Deutschen 
Reichs und seine Verfassung sich verpflichtet haben, 
a) den Angehörigen der übrigen Bundesstaaten einen Teil der 
Vorrechte einzuräumen, die sie ihren eigenen Angehörigen gewähren, 
b) bei der Verleihung und Entziehung der Staatsangehörigkeit be- 
stimmte Grundsätze zu beachten, die durch Reichsgesetz aufgestellt werden 
ollen. 
Die erstere Zusicherung ist durch zahlreiche Reichsgesetze über das 
bürgerliche Recht und das Gerichtsverfahren, die Freizügigkeit und das 
Gewerbewesen, das Presse-, Vereins= und Versammlungsrecht, das Paß- 
wesen, die Heeresdienstpflicht usw. in die Tat umgesetzt worden. Die 
letztere Vereinbarung hat das B. u. St Ges. und an seiner Statt nun- 
mehr das R. u. St Ges. verwirklicht. Beide Gesetze haben hierbei klar 
ausgesprochen, daß die Staatsangehörigkeit samt der mittelbaren Reichs- 
angehörigkeit ausschließlich vom Bundesstaat aus eigener Macht, nicht 
etwa von seinen Behörden im Auftrag oder Namen des Reichs ver- 
liehen und entzogen werden (vgl. R. u. St Ges. 88 1, 3, 7, 8S, 10—13, 20, 
23, 27, 28, 30, 31). Damit ist der Fortbestand des einzelstaatlichen Hoh- 
heitsrechts auch nach Errichtung des Deutschen Reichs anerkannt; die 
Bundesstaaten haben sich durch ihre Zustimmung zur Reichsverfassung 
lediglich bestimmten Beschränkungen in der Ausübung dieses Rechts 
unterworfen. 
Die Bundesstaaten haben ferner in der mittelbaren Reichs- 
angehörigkeit besondere Beziehungen ihrer Untertanen zu dem Staats- 
gebilde „Deutsches Reich“ geschaffen. Wir verstehen unter der mittel- 
baren Reichsangehörigkeit die Pflicht, gegenüber dem Reich die durch 
Gesetz begründeten Verbindlichkeiten zu erfüllen, und das als Gegen- 
leistung gedachte Anrecht auf den Schutz des Reichs. Die mittelbare 
Reichsangehörigkeit ist notwendige Zubehör der Staatsangehörigkeit in 
einem Bundesstaat, d. h. sie kann nur mit letzterer erworben werden, 
ist nicht von ihr zu trennen und geht mit ihr verloren. „Beide Rechte
	        
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