70 WILHELM DER SIECREICEIE
Trauer und Klagen durch die ganze Stadt, und
viele vermeinten, der Kaiser sei bereits heimge-
gangen. Wohl’ zuckte am Morgen des folgenden
Tages noch einmal eine Nachricht vom Besserbefinden
s durch die nach Zehntausenden vor dem Palais ver-
sammelte Menge; allein sie erwies sich als trüge-
risch, denn bald darauf, 81 Uhr morgens, trug der
Telegraph die erschütternde Kunde durch die Welt,
daß Kaiser Wilhelm soeben im hohen Alter von 90
20 Jahren 11 Monaten und 16 Tagen, im 28. Jahre
seiner ruhmreichen Regierung zur ewigen Ruhe
eingegangen sei. Das letzte verständliche Wort war
der Name „Fritz“ gewesen. Sein letzter Blick
hatte der Kaiserin gegolten, die während seiner
u5 Krankheit nicht von seinem Lager gewichen war.
Alle Mitglieder der königlichen Familie waren zu-
gegen gewesen, während es dem Oberhofprediger“
Kögel beschieden war, dem Scheidenden alle die-
jenigen Trostworte der heiligen Schrift zuzurufen,
20 welche dem Kaiser während seines langen bewegten
Lebens Stab und Schild“ gewesen waren.
Kaiser Wilhelm war ebenso groß als Monsch,
wie bedeutend als Regent. Er hat für sein Deutsch-
land, das er über alles liebte, bis zum letzten
u#s Hauche seines Lebens gelebt und gekämpft.
Ein Soldat und ein Feldherr ohnegleichen, hat
er Siege errungen, die einzig dastehen in der
Geschichte aller Völker. Die eigentliche Größe aller
dieser Siege aber lag in der weisen Mäßigung,
3o mit welcher er sie hinnahm. Mitten im hobchsten