Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
30 Das Strafrecht. III. Buch. 
  
Von einschneidender Bedeutung war dagegen das durch Gesetz 
vom 25. Juni 1900 (REl. S. 301) endlich erfolgte Zustande- 
kommen der sog. „lex Heinze“, durch welche wichtige und von vielen Seiten lange 
erwünschte Ergänzungen und Verschärfungen des Rechts auf dem Gebiete der Delikte 
gegen die Sittlichkeit eingeführt wurden. Die ##s# 180, 181, 184, 562 wurden geändert, 
die # 181 a, 184 a, 184b neu geschaffen. Von diesen Aeuerungen soll hier nur an 
die hervortretendsten erinnert werden, nämlich an die Einreihung der vom Ehe- 
mann in bezug auf die Ehefrau verübten Kuppelei unter die Verbrechensfälle 
(F 181), die Strafbarmachung der Zuhälterei (s 181 a) und das Einschreiten gegen 
unzüchtige oder doch das Schamgefühl gröblich verletzende Schriften, Abbildungen 
oder Darstellungen (S§ 184 ff.). Obwohl gerade um die zuletzt erwähnten Vorschläge 
damals im Reichstag und in der Presse ein heftiger Kampf stattgefunden hat, bat die 
Folgezeit doch gelehrt, daß, von einigen Einzelheiten abgesehen, das Richtige getroffen 
und einem wirklichen Bedürfnis genügt worden ist. Das zeigt sich auch darin, daß so- 
wohl der nachher näher zu betrachtende Vorentwurf, wie auch der neueste Kommissions- 
entwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch diese Vorschriften nicht nur aufrechterhalten, 
sondern zum Teil sogar noch verschärfen wollen. Besonders hinsichtlich des Zuhälter- 
tums ist ein solcher Wunsch auch in der Bevölkerung vielfach laut geworden. Ist auch 
dieses wichtige und in seinen Wirkungen verdienstvolle Gesetz formell aus der Znitiative 
des Reichstages hervorgegangen (Antrag Graf Hompesch und Genossen, Nr. 834 der 
Drucks. d. R.-T.), so gebührt die Urheberschaft doch insofern der Regierung, als der nicht 
ohne ihr Vorwissen und ihre Zustimmung gestellte Antrag bekanntlich nur die schon 
wiederholt eingebrachte, jedoch bis dahin nicht zur BVerabschiedung gelangte Vorlage der 
verbündeten Regierungen im wesentlichen wiederholte. 
alex Heinze“. 
  
Majestätsbeleidigung. Auch ein recht wichtiges Gesetz ist das zeitlich folgende 
vom 17. Februar 1908 (NRGBl. S. 25), betreffend die 
Bestrafung der Majestätsbeleidigung. Ourch dieses Gesetz wurde, abgesehen 
von der Einführung einer ganz kurzen (sechsmonatigen) Verjährungsfrist, der Tat- 
bestand dieses Vergehens für alle Fälle (5§ 95, 97, 99, 101 St.) dahin geändert, 
daß die Strafbarkeit nur eintritt, wenn die Beleidigung in der Absicht der Ehr- 
verletzung, böswillig und mit Uberlegung begangen ist. Seinen Ursprung hatte dieses 
Gesetz in einem Erlasse des Kaisers als König von Preußen vom 27. Januar 1907, in 
welchem der Zustizminister beauftragt worden war, in solchen Fällen, in denen sich 
jemand „bloß aus Unverstand, Ubereilung oder sonst ohne bösen Willen“ einer 
Majestätsbeleidigung schuldig gemacht haben werde, fortlaufend wegen Ausübung des 
Begnadigungsrechts zu berichten. Diese hochherzige Znitiative des Monarchen selbst, 
die mit vollem Recht bezweckte, die Bestrafungen wegen leichteren und nach den Um- 
ständen allenfalls verzeihlichen Fällen von Majestätsbeleidigung auszuschließen oder zu 
mildern, gab demnächst den Anlaß zu einer dasselbe Ziel verfolgenden Gesetzesvorlage an 
Bundesrat und Reichstag, die schließlich nach mehrfachen Anderungen in der eben er- 
wähnten Gestalt zustande kam. 
  
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