III. Buch. Das Strafrecht. 31
Ob die Fassung des so entstandenen neuen Gesetzes glücklich ist, muß bezweifelt
werden. Haß derjenige milder oder auch gar nicht bestraft werden soll, der bloß aus
Unverstand, Ubereilung oder sonst ohne bösen Willen eine moajestätsbeleidigende Hand-
lung begangen hat, wie es in dem Gnadenerlaß bieß, wird jedermann billigen. Etwas
wesentlich anderes aber ist es, wenn, wie das demnächst entstandene Gesetz will, zur Straf-
barkeit dem Täter nachgewiesen werden muß, daß er sowohl in der Absicht der Ehrver-
letzung, als auch böswillig, als auch mit Uberlegung gehandelt hat. Diese in dem Gesetz
enthaltene Häufung der Erfordernisse schießt über das Ziel hinaus, da selbst in den
schweren Fällen der Nachweis des Zusammentreffens aller drei Voraussetzungen kaum
zu führen, überdies der Begriff der Böswilligkeit ein schwankender und nicht völlig klar
bestimmbarer ist. So ist denn die beabsichtigte Einschränkung tatsächlich eine zu große
geworden, und die Möglichkeit einer Bestrafung auch wegen grober und recht frevel-
hafter Majestätsbeleidigungen so erschwert, daß mit Recht behauptet werden kann, der
Rechtsschutz der deutschen Monarchen gegenüber Ehrverletzungen sei geringer geworden,
als der jedes Privatmannes. Zwar hat ihnen das Gesetz in seinem letzten Absatz die Be-
antragung einer Verfolgung wegen gewöhnlicher Beleidigung nach dem 14. Abschnitt
des Strafgesetzbuchs offen gelassen. Dieser Weg steht jedoch nur theoretisch offen, in
der Wirklichkeit ist er verschlossem. Denn Stellung des Strafantrages, Auferlegung der
Kosten im Falle der Zurücknahme, Wahrheitsbeweis, Straflosigkeit im Falle der Wahr-
nehmung berechtigter Interessen (§+ 193), Retorsion und Kompensation, endlich gewisse
prozessuale Eigentümlichkeiten bei gewöhnlichen Beleidigungsprozessen, sind alles Ein-
richtungen und Vorschriften, deren Anwendung auf einen Monarchen mit dessen Stellung
unvereinbar ist. Deshalb ist praktisch der Satz richtig, daß der Rechtsschutz des Landes-
herrn bier geringer geworden ist, als der jedes Staatsbürgers. Daß dies aber eine Un-
billigkeit ist und in einem monarchischen Staatswesen zu Unzuträglichkeiten führen kann,
sollte auch der zugeben, der mit Recht ein Gegner von unnötigen Prozessen wegen Moje-
stätsbeleidigung ist. Aus diesen Gründen ist es zu begrüßen, daß die Kommission zur
Ausarbeitung des Entwurfs zu einem neuen Strafgesetzbuch beschlossen hat, in dem
Entwurf wenigstens das „böswillig“ zu streichen. Auch das Erfordernis der Uberlegung
sollte gestrichen werden. Dann bliebe allein übrig die auf Ehrverletzung gerichtete Ab-
sicht. Diese aber rechtfertigt auch allein völlig die Strafbarkeit, denn es ist nicht einzu-
sehen, welche Gründe rechtlicher oder moralischer Natur den grundsätzlich vor Strafe
schützen sollen, dessen Wille direkt darauf gerichtet war, den Herrscher in seiner Ehre zu
verletzen. Auch dann bleibt ein Mehr von Erfordernissen gegenüber der gewöhnlichen
Beleidigung, denn diese setzt nicht jene Absicht voraus, sondern läßt das Bewußtsein der
Beleidigung im Sinne des eventuellen Dolus genügen. Auch dann also ist die Ver-
folgbarkeit der Majestätsbeleidigung tatsächlich mehr eingeschränkt, als die der gewöhn--
lichen Beleidigung, aber in einer erträglichen, ja billigenswerten Weise. Und den Ent-
schuldigungsgründen, die aus der Art des besonderen Falles heraus auch dem absicht-
lichen Beleidiger zur Seite stehen können, kann — wenigstens für die Zukunft — durch
die später zu besprechende allgemeine Vorschrift des Entwurfs über die „besonders
leichten Fälle" Rechnung getragen werden. Ja in dieser Vorschrift, deren innere Be-
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