IIl. Buch. Oer Strafprozeß. 5
maßen vorhanden, so ist es etwas Halbes, wenn der Bundesrat die Schöffen nur in
1. Instanz und nicht auch in der Berufungeinstanz zuziehen will. Soll die Mitwirkung
von Laien doktrinäre — am Buchstaben des Gesetzes llebende — Strafurteile verhüten
oder jedenfalls die Befürchtung des Volkes, daß ein nur mit gelehrten Richtern besetztes
Gericht zu solchen Urteilen geneigt sei, heben, so muß sie, wie für die 1., auch für die
2. Instanz gelten. Die Aufhebung eines von einem Schöffengericht oder einer Schöffen-
strafkammer erlassenen Urteils durch ein nur aus gelehrten Richtern bestehendes Be-
rufungsgericht könnte im Volke gar zu leicht der Auffassung neue Nahrung geben, daß
in der Beurteilung von Strafsachen eine Kluft zwischen den Anschauungen der gelehrten
Kichter und der mitten im Leben und Verkehr stehenden Laien bestehe und auf diese
Weise das, was man durch die Zuziehung von Laien zu den Strafgerichten verhüten
will, erst recht fördern. Die früher geltend gemachte Befürchtung, daß es in manchen
Bezirken mit undichter Bevölkerung, vor allem in den östlichen Landesteilen Preußens,
an einer für zwei IZnstanzen ausreichenden Zahl von Personen, die als Schöffen berufen
werden könnten, fehle, dürfte dadurch, daß nunmehr den Schöffen Reisekosten und Tage-
gelder bewilligt sind, gehoben sein. Die Vertreter der Bundesregierungen haben denn
auch im Reichstag ihre übrigens von der baprischen Regierung nicht geteilten Bedenken
gegen die Zulassung von Laien in den Berufungsgerichten jetzt weniger hierauf, als
auf die besondere Art der richterlichen Tätigkeit in der Berufungeinstanz gestützt. Ich
vermag diesen Unterschied nach der Art, wie der Entwurf das Verfahren in der Be-
rufungeinstanz geregelt, insbesondere eine völlige nochmalige mündliche Verhandlung
vor dem Berufungsgerichte vorgesehen hat, nicht in dem behaupteten Maße anzuerkennen.
Allerdings werden die Entscheidungsgründe der 1. Instanz durch Verlesen zur Kenntnis
des Berufungsegerichts gebracht. Aber es handelt sich dann für das Berufungsgericht
nicht sowohl um eine Nachprüfung, ob die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des
Falles durch den Vorderrichter richtig ist, als um die Gewinnung eines selbständigen
Urteils auf Grund der vor dem Berufungegericht stattfindenden vollständigen neuen
Verhandlung. IOch vermag nicht abzusehen, wie das den Schöffen bei der Verhandlung
in 2. Instanz mehr Schwierigkeiten machen soll, als in der 1., und bin der Meinung,
daß das Sichsträuben der Moajorität des Bundesrats gegen die Zulassung von Schöffen
bei den Berufungegerichten auf einem, wenn auch unbewußten, Rest der Befürchtung
mancher Richter beruht, daß es den Schöffen an der vollen Objektivität zu einer dem
Tatbestand gerecht werdenden Rechtsprechung fehle, welche Furcht bis zur Aufstellung
des Reformentwurfs auch selbst ihre Zulassung zur Strafkammer in 1. Instanz ver-
bindert hat.
Reform der Schwurgerichte. Auffallend ist es, daß der Entwurf, während
sein Vertrauen zu einer Rechtsprechung, an der
Laien neben den Richtern teilnehmen, so gering ist, daß er für die Urteile, die
unter Zuziehung von Schöffen ergehen, eine Nachprüfung durch ausschließlich mit Rich-
tern besetzte Berufungsgerichte verlangt, für die schwersten Straffälle Schwurgerichte
bestehen läßt, bei denen der Wahrspruch über die Schuld ausschließlich durch
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