Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
IV. Buch. Seemacht und Kriegsflotte. 20 
  
abgeschlossenen Bündnisses die Drohung des Krieges nach zwei Fronten für uns ent- 
standen, die in den Zahren von 1884—1888 sich immer mehr verschärfte. 
Zweierlei Bestrebungen gehen also in der auswärtigen Politik Deutsch- 
lands in dieser Zeit nebeneinander her: die Sicherung des durch den 
Krieg gegen Frankreich gewonnenen Territorialbestandes des Reiches und 
sein Eintritt in die Reihe der Weltstaaten durch Förderung der Seeinter- 
essen. Dem Hissen der deutschen Flagge in Togo, Kamerun und Südwestafrika, 
der Subventionierung überseeischer Dampferlinien durch das Reich, dem Erlaß des 
Schutzbriefes für die Neuguinea-Kompagnie, der Erwerbung der Marschallinseln, 
folgen die Gesetze zur Vermehrung des Heeres, die 1887 nur durch die Auflösung 
des Reichstages erzwungen werden konnte, während im folgenden Jahre die große 
Februarrede Bismarcks die Durchbringung der erweiterten Vorlage bewirkte. Beiden 
politischen Bestrebungen durch Ausbau von Heer und Flotte gleichzeitig Rechnung zu 
tragen, wurde immer schwieriger, weil einerseits die Bewahrung des Besitzstandes am 
Lande als Grundlage alles weiteren das Wichtigste war, andrerseits jedes Hinausgehen 
auf die See die nun erwachte Rivalität Englands reizte, des Staates, dessen Seeinteressen 
überall in der Welt vertreten und durch die stärkste Flotte beschützt waren. Bezeichnend 
aber ist es, daß von Flottenrüstungen England gegenüber damals noch nie die Rede 
gewesen ist. 
So geht durch die Ausführungen des zweiten Chefs der Admiralität neben der 
Betonung der Notwendigkeit vermehrter Rüstungen ein Zug der Resignation her und 
Zweifel darüber, ob bei den noch ungeklärten Fragen des Panzerschiffbaus und der 
Schlachtentaktik es nicht doch besser sei, sich mit lleineren Schiffen und mit Torpedobooten 
zu begnügen. „Eine Marine, wie die unsere, kann sich den Luxrus fehlgeschlagener Ex- 
perimente nicht erlauben; sie darf konstruktiv wenig wagen.“ 
Umschwung im Panzerschiffbau. Znzwischen hatte nun aber — namentlich 
in dem auf die Seebeherrschung ange- 
wiesenen Weltreich England — der Panzerschiffbau angefangen, sich von den ihm mit 
Recht vorgeworfenen Mängeln zu befreien. Neben die wenigen langsamfeuernden 
schweren Geschütze war eine leistungsfähige leichte Artillerie zur Abwehr der neuen 
Segner getreten. Das Zweischraubenspstem hatte die Beweglichkeit, verbesserte Ma- 
schinen die Schnelligkeit der Panzerschiffe vermehrt. Wirksamere Unterwasserteilung 
und Schutznetze verminderten die Gefahr der Torpedotreffer, schiffbauliche Einrichtungen 
im Bug des Schiffes die Gefahr, die beim Gebrauch der eigenen Ramme entstehen 
konnte, und schließlich war es auch gelungen, Einrichtungen für das Schießen von Tor- 
pedos auf den Panzerschiffen selbst einzubauen. Die drei Waffen, derentwegen 
man zum Bau von Spezialschiffen für jede hatte schreiten wollen, waren auf 
diesem modernen Schlachtschiff wieder vereint und gaben ihm neben der ihm 
innewohnenden, im Bereich des Kohlenvorrats unbeschränkten Seefähigkeit die Uber- 
legenheit und allgemeine Gebrauchsfähigkeit zurück, die ihm verloren zu gehen drohten, 
als die neuen Anschauungen über den Seekrieg eingesetzt hatten. 
  
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