über Armenpflege und Heimathsrecht, 7
eine selbstständige Stellung zu haben. Sie traf Vorkehrungen,
dass die Zahl derselben das Maass der gesteigerten Kräfte nicht
überschreile.
Die Anerkennung dieses Rechtes ist in neuerer Zeit erschültert
worden und selbst versagt, weil — in.Folge einer mangelhaften
Entwickelung in der Gliederung der Gesellschaft — der Schwächung
und Ausartung des Familien- Gemeinde- und Korporationslebens
— dasselbe dahin gemissbraucht wurde, die Kräfte und An-
strengungen des heranwachsenden Geschlechtes zum Vortheil
des älteren auszubeulen; die frischen Triebe dem Privilegium
dienstbar zu machen, und so den Fortschritt zu hemmen, statt
ihn zu fördern.
Diese Thatsache veranlasste eine entgegengesetzte Nutz-
anwendung der an und für sich gleichmässig anerkannten Wahrheit,
dass das wohlverstandene Interesse des Einzelnen mit dem wahren
Wohle der Gesellschaft im Einklang stehe, und dass zur Be-
hauptung seiner Stellung in der entwickelteren Gesellschaft jeder
Einzelne zu höheren Leistungen verbunden sei. Man zog hieraus
nunmehr den Schluss, dass der eigene Vortheil jedes Ein-
zelnen ihn zur entsprechenden Anstrengung seiner Kräfte treiben
werde; und dass daher die Wahrnehmung der in dem Naturgesetz
der Bevölkerungsverinehrung enthaltenen Pflichten von seiner
Freiheit zu erwarten, sowie seiner Verantwortlichkeit
zu überlassen sei.
Von dieser Ansicht aus schritt man nach dem Vorgange
Frankreichs auch in Preussen zur Aufhebung der wichtigsten
Beschränkungen, welche der Freiheit des Einzelnen früher bei
der Wahl seines Wohnorts, sowie seines Berufes und bei der
Gründung eines eigenen Hausstandes entgegengestanden halten.
Noch ist indess kein halbes Jahrhundert seit der Einführung
dieses neuen Grundsatzes verflossen, und schon zeigt sich immer
deutlicher und unabweislicher, dass die abstrakte und einseitige
Anwendung desselben für den Einzelnen wie für das Gemein-
wesen nicht minder grosse Gefahren und Uebel hervorruft, als
der Missbrauch der Rechte, welche die ältere Gesellschaft für
sich in Anspruch nahm.
Einmal ist durch glaubwürdige Zeugnisse der verschiedensten