Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vor Aristoteles und Platon. 153 
in theoretischer Form dargestellt, die Ordnung auf der einen 
Seite, in welcher der Einzelne dem Ganzen unterworfen ist, und 
die Freiheit auf der andern, in welcher der Einzelne das Ganze 
sich zu unterwerfen trachtet. Allein immer hat dieser Gegen- 
satz seine eigenthümliche an die ganze Zeillage eng ange- 
knüpfte Form. 
In Griechenland hatte nämlich die Staatsform aller Art Eins 
gemeinschaftlich erzeugt; das war die despotische Herr- 
schaft derjenigen Classe, welche die Herrschaft gewann, mochte 
dies nun die spartanische Oligarchie, oder die atheniensische 
Demagogie sein. Es liegt diese Thatsache allerdings als natür- 
liche unabweisbare Folge in einem Satze, dessen erste und 
grossarligste Bestätigung eben das ganze Leben Griechenlands 
ist, dass nämlich immer und nothwendig da, wo die Staatsge- 
walt ganz in den Händen der Gesellschaft ist, ein Zeitpunkt ein- 
tritt, in welchem das Interesse der herrschenden Classe aus der 
Herrschaft derselben eine Despolie macht. Diesen Satz kannte 
man freilich nicht, da die Griechen überhaupt nie aus dem Ge- 
meindestaat hinauskamen. Allein man fühlte seine Folgen sehr 
gut. Und dies Gefühl ward die Grundlage zweier wesentlich 
entgegengeselzter Anschauungsweisen. 
Die Einen nämlich, der alten Freiheit eingedenk, und mit 
jenem Drange nach Selbstbeherrschung begabt, der der Grund 
der Freiheit aber auch der Unordnung von jeher gewesen ist, 
sahen sich ausser Stande, in den bestehenden oder auch ihnen 
denkbaren Verfassungen eine solche aufzufinden, die überhaupt 
dazu fähig sei, zugleich die Herrschaft und die Freiheit zu geben. 
Sie kamen daher zu dem Resultat, das im Grunde schon Hobbes 
aufstelltl, das nachher von Fichte auf den logischen Begriff des 
Ich zurückgeführt und nur durch eine Reihe von Inconsequenzen 
wieder aufgehoben ward, und das in neuester Zeit Proudhon 
mit wenig Logik aber desto mehr Lärm in seiner Weise noch 
einmal als die Anarchie gelehrt hat, dass die wahre Frei- 
heit des Menschen des Staates nicht bedürfe, ja dass der 
Staat im Grunde in directem Widerspruche mit dem Wesen der 
vollkommenen Selbstbestimmung stehe. Es werde diese Voll- 
kommenheit eben nur in der gänzlichen Unabhängigkeit vom
	        
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