Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

württembergische Agrarverhältnisse. 209 
kann, ohne darüber alsbald in den unerträglichsten Nothstand zu 
kommen und ökonomisch halb baniquerott zu werden. Es kön- 
nen noch schlimmere Zeiten sich einfinden als solche, wie wir 
sie gehabt, und wie wir sie als nothwendig wiederkehrend ange- 
nommen haben, Jahre, die noch ganz andere Opfer vom Volke 
erfordern, als wir jetzt bringen müssen. Es kann Krieg im 
Lande selbst kommen , mit seinem Gefolge von Contributionen, 
Naturallieferungen und verdoppelten Steuern an die eigene Lan- 
desherrschaft '), und es können noch dazu Missjahre eintreten, 
Dann mag ein Noihstand, wie der jetzige ist, gerechtfertigt sein. 
So ausserordentliche Unglücksfälle hat aber Württemberg in den 
letzten Jahren keineswegs gehabt. Die Steuern sind mit Aus- 
nahme derer vom Kapital- und Berufseinkommen im Vergleich 
mit beinahe allen andern deutschen Staaten niedrig und nur unbe- 
deutend erhöht worden. Die Frucht- und Futtererndten, die doch 
immer die Hauptsache sind, waren eigentlich in keinem der verflos- 
senen Jahre seit 1847 unter dem Mittelmaass. Die Weinproduk- 
tion war schlecht; aber doch nicht so schlecht wie in den Jah- 
ren 1812 bis 1817, also auch nicht ohne frühere Beispiele. 
Den Ausfall an Arbeitsverdienst, den die Revolulionsjahre ver- 
schuldet, hat die Regierung durch Eisenbahn - und ausserordent- 
liche Strassenbauten auch in den Jahren, wo die Staatskasse 
durch ein Deficit gedrückt war, doch noch immer zu mildern 
gewusst. Bürgerliche Unruhen endlich haben freilich stattgefunden; 
aber der Krieg selbst blieb unsern Grenzen fern. Mag man 
also auch die Zeiten schlecht nennen, — sie waren und sind es 
ohne allen Zweifel; — aber so arg waren sie doch nicht, dass 
darüber die Zustände so schlimm hätten werden sollen, wie wir 
sie leider vor uns haben. Die Sache erklärt sich aber dadurch, 
dass eben die Basis unserer landwirthschaftlichen Zustände, 
— denn von diesen ist zunächst hier die Rede — eine unge- 
sunde ist, dass ein sehr grosser Theil unsrer Landbevölkerung 
1) Die Herzogthümer Schleswig - Holstein haben in den 3 Kriegsjahren 
über 53 Mill. Mark aus eigenen Mitteln aufbringen müssen, davon Holstein 
allein stark vier Fünftel, und Holstein hat weniger Einwohner als unser 
Neckarkreis und ist gewiss im Ganzen nicht fruchtbarer als dieser ! 
Zeitschr. für Staatsw. 1853. 2s Heft. 14
	        
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