30 Betrachtungen
li. Ursprung der Verpflichtung zur Armenpflege.
Um die Mängel der bestehenden Armenpflege in ihren Ur-
sachen und Folgen klar zu erkennen, ist es erforderlich, auf
die Verhältnisse zurückzugehen, welche die Anerkennung einer
Verpflichtung zur Gewährung von Unterstülzungen veranlasst
haben und die Umstände anzudeuten, welche es erklären, wie
diese Last in der Form der gesetzlichen Armenpflege vorzüg-
lich den Gemeinden anheimgefallen ist.
Die Pflicht der Unterstützung einzelner Mitglieder der Ge-
sellschaft durch Andere entspringt aus fünf verschiedenen Quellen,
die ihrer inneren Natur nach wesentlich von einander abweichen
und in ihrer staatswirthschaftlichen Bedeutung scharf von einander
zu trennen sind. Diese Quellen sind Astens der Grundsatz der
Gegenseitigkeit oder Vereinigung der Kräfte zu gemein-
samer Verfolgung eines Zieles; 2tens das Dienstverhält-
niss oder die Verhältnisse des Lohnes; 3tens das Ver-
hältniss. der Familie oder die natürlichen Bedingungen der
menschlichen Existenz und Entwickelung; 4tens die Gebote unserer
Religion und ödtens die Rücksichten der öffentlichen
Sicherheit und Wohlfahrt.
Ansprüche auf die Unterstützung Anderer werden zunächst
begründet durch eigene Leistungen. Die Thatsache, dass
durch vereinte Kräfte einer Mehrzahl von Personen Schwierig-
keiten überwunden, Güter hergestellt, Anstalten errichtet, Ge-
fahren und Verluste vermieden, Vortheile erlangt und Hilfsquellen
eröffnet, genug, Erfolge gesichert werden können, welche jeder
Einzelne für sich allein zu erlangen nicht im Stande ist, hat seit
dem Beginn der Entwickelung des menschlichen Geschlechtes in
den verschiedensten Formen und in immer grösserem Umfange
und reicherer Entfaltung Verbindungen unter den Menschen be-
gründet. So sind auch zu dem Zwecke gegenseiliger Unier-
stützung in besonderen Unglücksfällen von früh her Vereine
entstanden, theils durch besondere Uebereinkunft der Betheiligten,
theils in weiterer Entwickelung natürlicher Verhältnisse, theils
auch durch ausdrückliche Anordnung der öffentlichen Gewalt.
Das Wesentliche des Verhältnisses ist, dass der Unterstützte