Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

über Armenpflege und Heimathsrecht. 347 
Gerade bei den unverheiratheten Arbeitern wird eine Er- 
höhung des Geldiohnes den Herren auf dem Lande auch am 
wenigsten schwer fallen, da die Naturalverpflegung den gröss- 
ten Theil der Kosten veranlasst und die Zulage von 1 bis 2 
Thirn. jährlich für Knechte und Mägde nicht als eine erheb- 
liche Vertheuerung ihres Unterhaltes oder als eine bedenkliche 
Vermehrung der Wirthschaftskosten wird angesehen werden 
können. Auf der andern Seite ist es ausser Zweifel, dass gerade 
die unverheiratheten Arbeiter (Knechte und Mägde‘) schon jetzt 
meistens in dem Verhältniss sich befinden, um sparen zu kön- 
nen !). Dass diess so selten vorkommt, liegt vorzüglich daran, 
dass die Pflicht zu baaren Ersparnissen nicht deutlich genug 
erkannt, die Gelegenheit zur sicheren Aufbewahrung nicht hin- 
reichend geboten ist, und endlich die Sitten der Jugend nicht 
ernst und kräftig genug sind. Der erübrigte Groschen wird nur 
zu oft in der Schenke oder für Putz verausgabt. Auch im besten 
Falle entspricht es den Sitten unserer Arbeiterbevölkerung mehr 
für einen sauberen Sonntagsanzug als für einen baaren Spar- 
pfennig zu sorgen. Die Ehe ist nicht der Lohn für lang aus- 
dauernde Treue, und der Wunsch dieselbe schliessen zu können, 
feuert nicht zu verdoppelten Anstrengungen an; sondern die 
Sehnsucht nach Unabhängigkeit, selbst der Hang zur Trägheit 
(insbesondere von Seiten der Mägde) sind nur zu häufig die 
Triebfedern. Nicht selten soll die Ehe leider nur gut machen, 
was im flüchtigen Rausch der Sinne verbrochen wurde. 
Gerade deswegen ist eine eindringliche und augenfällige 
Mahnung an die Unerlässlichkeit der Sparsamkeit und den be- 
sonderen Werth baarer Mittel um so nothwendiger. Die Kräf- 
tigung des Charakters und der Sitte ist der viel grössere Segen, 
neben dem Gewinn einer dauerhaften äusseren Grundlage für 
die häusliche Wirthschaft. 
Einenthatsächlichen Beweis für die Ausführbarkeit desWe- 
sentlichen unserer Vorschläge geben die inandern deutschen Ländern 
1) Vergleiche unter anderen die Angaben in v. Lengerke’s die Pro- 
vinz Preussen S. 440 ff.
	        
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