390 Die volkswirthschaftlichen Zustände des Königreichs Hannover
Wir wollen hier vorläufig blos das angebliche Factum un-
tersuchen, ohne geltend zu machen, dass, falls es sich so ver-
hielte, auch in einem grossen Handels- und Zollgebiete Agri-
kulturdistrikte und Industriedistrikte sehr wohl neben einander
wirthschaften und zu beiderseitigem Vortheile mit einander ver-
kehren können.
Wenn unter Agrikulturland ein Land verstanden wird, wel-
ches hauptsächlich auf die Erzeugung landwirthschaftlicher Roh-
stoffe sich beschränkt, seine Bedürfnisse an Fabrikaten aller Art
vom Auslande bezieht und diese Einfuhr lediglich durch .die
Ausfuhr von Rohstoffen deckt, so ist diese Bezeichnung für
Hannover_ schwerlich noch passend, da hier der ganz überwie-
gende Theil der Gesammterzeugnisse der Landwirthschaft im
Lande selber verzehrt und verarbeitet wird, neben der Einfuhr
fremder Fabrikate schon eine beträchtliche Einfuhr fremder Roh-
stoffe zur inländischen Verarbeitung Statt findet und die ganze
Einfuhr zum nicht geringen Theile durch die Ausfuhr eigener
Fabrikate gedeckt wird.
Von den gewöhnlichen Handwerken abgesehen, werden in
Hannover, um nur die bedeutenderen Artikel zu nennen, ver-
fertigt: Leinengarn und Leinewand, Leder und Sattlerwaaren,
Tuch und unappretirte wollene Zeuge, mehrere Gattungen von
baumwollenen Waaren, Hüte, Schirme, Lichter (Talg- und
Stearinlichter), ‚Seife, Lack, Rauchtabak und Cigarren, Zucker,
Chocolade, Cichorien, Bier und Branntewein, Stärke, Oel, Bür-
stenbinderwaaren (auch fabrikmässig), Parfümeriesachen, mu-
sikalische Instrumente, malhematische, optische, physikalische
Instrumente, Holzwaaren (Sägereien, Schnitzsachen, Zündhölzer,
‚hölzerne Löffel, Eimer, Kisten u. s. w.), Glaswaaren (grünes
Glas, auch Spiegel- und Tafelglas), Cement, Thonwaaren (Zie-
gelsteine, Oefen, Töpfergut, Tabakspfeifen), Schiesspulver, Pa-
pier (vorzugsweise die gröberen Sorten), Tapeten, Gewehre,
Bleiweiss, Eisengusswaaren und manche andere Metallarbeiten.
Man hat nun in Hannover von einem schutzlosen Preisgeben
dieser inländischen Industrie, welche die Concurrenz mit der
entwickelten Zollvereinsländischen nicht zu ertragen vermöge,
viel gesprochen und geschrieben.