Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

Studien über württembergische Agrarverhältnisse. 427 
sich entschliessen sollten, sie mit beträchtlichem Verlust zu ver- 
äussern. Und leider ist die Zahl solcher Gemeinden nicht gering 
und es fehlt bekanntlich auch an eineın Beispiel nicht, wo alle 
Gemeindeglieder mit einander, vom ersten bis zum letzten, gant- 
ınässig sind. Offenbar ist nun da nicht genug eigene ökono- 
mische Kraft, um den nothwendig gewordenen Rückschlag gegen 
die unhalibar gewordene Zwergwirthschaft zu vollbringen und 
es wäre hier alle Veranlassung gegeben, dass Kapitalisten, etwa 
einzelne Gläubiger selbst, entweder die Forderungen der Uebrigen 
vor dem Zwangsverkauf oder auch gleich die zum Verkauf ge- 
brachten Grundstücke an sich brächten und neue Güter von der 
Grösse bildeten, dass sie sich zum eigenen Betrieb oder zur 
Verpachtung eignen würden. Man sollte wenigstens, wenn man 
den unglaublichen Unwerth, oft geradezu die Preislosigkeit solcher 
Grundstücke ins Auge fasst, meinen, dass sich dieser Weg selbst 
den Kapitalisten als der passendste empfehlen sollte. 
Aber, wie schon bemerkt, man hört nichts davon, dass ein 
solches Verfahren eingeschlagen würde. Die Sache geht hier 
vielmehr bis jetzt gewöhnlich so, dass der Gläubiger mit dem 
Schuldner ein Abkommen trifft, wonach ihm etwa unter Verbür- 
gung eines Dritten und mit oder ohne Nachlass an Zinsen das 
Kapital von Neuem kreditirt wird; oder er entschliesst sich, nach 
vergeblichen Versuchen das ihm zugeschlagene Grundstück ander- 
weitig zu verkaufen, zu verpachten oder selbst zu bewirthschaf- 
ien, es wieder an den früheren Besitzer wohlfeiler zu verkaufen 
und das Kapital, das nun freilich, nachdem es vermindert worden 
ist, sichrer stehen mag, mit oder ohne Verbürgung eines Dritten 
auf dem Gütchen stehen zu lassen. Das letztere Verfahren ist 
gar nicht so selten, weil die Gemeinden aus Furcht, eine Familie 
weiter auf die Armenliste zu bekommen, gegen den Gläubiger 
zusammenhalten und ihm das Verpachten ebenso wie die Selbst- 
bewirthschaftung bis zur Unmöglichkeit erschweren, so dass ihm 
am Ende gar nichts anderes zu ihun übrig bleibt, wenn er sich 
nicht der Gefahr aussetzen will, das Gut ganz ungebaut liegen 
zu lassen und die Staats- und Gemeindesteuern aus eignem Ver- 
mögen fortzubezahlen, während er so wenigstens die Hoffnung 
hat, dass sich der Besitzer selbst allmählich erholen werde. Aber
	        
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