434 Studien über würltembergische Agrarverhältnisse.
über von der Schwierigkeit und Grösse der Aufgabe ebenso
der Tadel verstummen muss wegen eines möglichen Irrthums,
wie der Anspruch auf Lob, wenn das vorgeschlagene Mittel als
brauchbar erfunden wird. In solchen Dingen tritt alles Persön-
liche ganz zurück; nur auf die Sache kommt es an.
Wie immer aber auch die Dinge gehen werden, ob auf dem
Wege eines natürlichen Entwicklungsprozesses oder mittelst Be-
theiligung der öffentlichen Gewalten, die Umbildung unsrer un-
haltbar gewordenen bäuerlichen Zustände selbst ist eine Noth-
wendigkeit geworden und sie wird, das lässt sich mit grosser
Bestimmtheit sagen, bei Fortdauer der gegenwärtigen Gesetzgebung
ganz gewiss eintreten. Es ist möglich, dass einige gute Erndten
und eine sich daran knüpfende Besserung des Kredits die Ver-
änderung verzögern; aber, läuschen wir uns nicht, das ist dann
nur ein Aufschub, keine dauernde Hülfe; denn so gewiss die
Erndten nicht immer gut seyn, und so gewiss wir nicht immer-
fort die friedlichen Zeiten mit verhältnissmässig wenig Lasten
für den Staat faben werden, deren das Land sich jetzt noch er-
freut, so gewiss werden auch neue Nothzeilen kommen und mit
der Wiederkehr und Verstärkung der Ursachen die nach der Lehre
der ganzen Geschichte unvermeidlichen Folgen sich geltend machen.
Sehen wir nun aber von diesem Heilungsprozess für die-
jenigen Distrikte und Gemeinden ab, welche unter der bestehen-
den Agrargesetzgebung so tief heruntergekommen sind, so bleibt
die Frage, sollen wir: diejenigen Distrikte, welche bis. jetzt an
der Hand des Lehenswesens oder auch ohne dieses durch frei-
willige Aufrechthaltung des altbäuerlichen Hofsystems sich gute
Verhältnisse bewahrt, ferner ebenso diejenigen Gemeinden,
welche zwar das System der unbedingten Theilbarkeit ange-
wendet, durch eigene verständige Kraft und Haltung aber die
übeln Folgen bisher vermieden haben, oder wieder zu bessern
Zuständen gekommen sind, sollen wir, sage ich, dieselben der
fortwährenden Gefahr, in die sie das System der schrankenlosen
Freiheit hineinbringt, ruhig überlassen, oder sollen wir unsre
Gesetzgebung selbst ändern und eine neue Schranke gegen den
Missbrauch der Freiheit aufrichten?