vom Asyle. 503
Recht und die Pflicht der Staaten ist also im Leben gar kein
Zweifel und Streit I); höchstens wird über die Anwendbarkeit
im einzelnen Falle oder über Zeit und Maass der Vorkehrungen
gestritten. Um so auffallender ist demnach, dass diese ganze
Frage bis jetzt so gut wie gar keine wissenschaftliche Erörterung
gefunden hat. Eine Berücksichtigung derselben im Strafrechte
und im internationalen Privatrechte ist allerdings ausser Frage,
da diese Lehren sich nur mit Wiederherstellung gestörten oder
angezweifelten Rechtes beschäftigen. Allein im Völkerrechte, im
natürlichen Staatsrechte, endlich in der Politik war Ort und Ver-
anlassung. Hier war nämlich, und zwar in jeder dieser Wissen-
schaften von ihrem Standpunkte aus, zu untersuchen: ob über-
haupt Maassregeln der fraglichen Art zu treffen sind? in welchen
Fällen? und von welcher Art? Alles dieses aber in der dop-
pelten Richtung der Beziehungen zum Auslande und des Rechts-
standes der eigenen Unterthanen. Diess ist aber nicht und nir-
gends geschehen.
Von den Lehrern des Völkerrechtes wird der Gegenstand
ganz allgemein übergangen. Selbst Diejenigen, welche dem Staate
das Recht und die Pflicht ausdrücklich zusprechen, seine Unter-
thanen zu bestrafen, wenn dieselben die Rechte anderer
Staaten verletzt haben, berühren die Verhinderung solcher
strafbarer Handlungen nicht. Man sehe z. B. die sämmtlichen,
oben S. 497 angeführten Schriftsteller. Lediglich nur Vattel
streift, a. a. O., im Vorbeigehen an die Frage.
Dass im philosophischen Staatsrechte, so weit mir irgend
bekannt ist, die Sache völlig unerörtert bleibt, mag allerdings
auffallen. Bei näherer Ueberlegung erklärt sich jedoch dieses
Stillschweigen, und zwar theils aus der allgemeinen Vernachläs-
sigung, ja selbst leidenschafllichen Zurückweisung aller Erörte-
rungen, welche sich auf die Präventivgewalt des Staates beziehen,
theils daraus, dass sowohl die Verhältnisse der Staatsgewalt, als
die der Unterthanen nur von der Seite ihrer Rechte, nicht auch
ihrer Pflichten betrachtet zu werden pflegen.
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1) Man vergleiche hierüber die Württembergische Note an die Schweiz
vom 25. April 1853 (Allg. Zeit., 1853, Beil. zu Nr. 132).
Zeitschr. für Staatsw. 1853. 3s Heft. 33