Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

524 Völkerrechtliche Lehre 
gellen. Bekanntlich findet eine solche Anwendung gar nicht 
selten stalt, z. B. im bürgerlichen Rechte. Ohne hier unpassend 
in das internalionale Privatrecht einzugehen, kann behauptet 
werden, dass jeden Falles die formelle Bedingung der Rechts- 
gülligkeit gewisser Handlungen, nach der Meinung der 
Meisten aber auch in vielen Fällen der materielle Inhalt von 
Rechtsverhältnissen nach ausländischem Rechte beurtheilt wird 
und beurlheilt werden muss. Niemand zweifelt, dass die Richter 
in solchen Fällen die Obliegenheit haben, sich die erforderliche 
Kenntniss von dem anzuwendenden Rechte zu verschaffen. Die 
Frage kann also nur die sein, ob im Strafrechte ‘überhaupt eine 
solche Anwendung fremden Rechtes nicht möglich, oder ob in 
dem besondern hier unterstellten Falle ein solches Recht ausge- 
schlossen ist? — Leicht kann man sich auf den ersten Blick zu 
der Ansicht bestimmen lassen, dass allerdings das fremde Recht 
zur Anwendung zu bringen sei. Es scheint nämlich, als müsse der 
Umstand entscheidend sein, dass der fremde Staat, nicht der dies- 
seilige, die in Frage stehende Handlung verboten und mit einer Strafe 
belegt habe; Niemand aber in eine Sirafe verfälll werden könne, 
welche nicht angedrohl gewesen sei, oder in eine andere, als in 
die angedrohte. Man kann ferner geltend machen, dass der 
Thäter, welcher in einem fremden Gebiete eine verbotene Hand- 
lung begangen habe, diess unter der Herrschaft des betieffenden 
Landesgeseizes gelhan habe, welches dann also auch zur An- 
wendung zu bringen sei. Dennoch muss eine reiflichere Erwä- 
gung die Ueberzeugung bringen, dass nach allgemeinen Grund- 
sälzen nur das diesseitige Recht zur Anwendung kommen kann. 
Eine Strafe ist eine Rechisveriminderung, welche dem Verurtheilten 
vom Richter zuerkannt wird. Zu einem solchen Eingriffe in das 
Recht ist der Richter nur befugt durch eine ausdrückliche Er- 
klärung der Staatsgewalt, und die Vornahme eines Rechlsein- 
griffes in einem nicht dazu bezeichneten Falle und in einer nicht 
erlaubten Form oder Grösse wäre unter allen Umständen recht- 
lich nichtig, möglicherweise ein Verbrechen von Seiten des 
Richters. Die Erklärung eines fremden Staates kann dem Richter 
keine Zuständigkeit über Personen und kein Recht zu einer 
Rechtsverninderung im diesseiligen Staale verleihen, und dessen
	        
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