530 Völkerrechtliche Lehre
Gerichte bethäligen und zu diesem Zwecke die nöthigen Milthei-
lungen und Beweismittel von dem zunächst verletzten Slaate ver-
langen; oder mag der Beschuldigte an diesen leizteren ausge-
liefert werden. Es ist nun keineswegs ein Widerspruch mit der
oben S. 527 aufgestellten Ansicht, wenn in Fällen der jetzt vor-
liegenden Art die Auslieferung als das richtige Verfahren
erklärt wird. Zwar wäre auch hier, wie in der oben berührlen
Unterstellung, eine Lieferung zureichender Beweise von Seiten
des fremden Staates nicht unmöglich, und somit ein von den
eigenen Gerichten eingeleitetes Verfahren nicht etwa blos eine
verkappte Verweigerung der Beihülfe. Allein es ist einleuchtend,
einer Seits, dass der Thälter lediglich nach den Gesetzen des
fremden Staates gestrafi werden kann, weil er nur diese verletzt
hat, nur unter diesen überhaupt zur Zeit der Handlung stand,
und weil der diesseitige Staat in keiner Weise befugt ist, Hand-
lungen freinder Unterthanen, begangen in fremdem Gebiete und
während ihrer Unterwerfung unter fremdes Gesetz, mit Strafe zu
bedrohen; anderer Seits, dass die diesseiligen Gerichte jene aus-
wärtigen Gesetze nicht anwenden dürfen, da sie vom Staate nur
zur Handhabung seiner eigenen Geselze Auftrag haben und aus
fremden Geselzen keine Verbindlichkeit und kein Recht für sie
enisteht. Eine Unterwerfung unter die einheimischen Gerichte
müsste somit aus formellen Gründen immer mit einer Straflosig-
keit des Angeschuldigten endigen, nämlich wegen mangelnder
Zuständigkeit; das heisst mit anderen Worten, die Erreichung des
Zweckes und die Erfüllung der Pflicht ist auf diese Weise nicht
möglich. Da hun überdiess die Auslieferung, wie oben festge-
stellt ist, nicht auf blosse jenseitige Forderung erfolgt, sondern
nur wenn man sich auch diesseits aus den mitgelheilten Um-
ständen und Beweisen von der Wirklichkeit eines begangenen
Vergehens und von der Wahrscheinlichkeit einer Schuld des An-
geklagten überzeugt hat, man es somit ganz in der Hand hat,
nicht der Mitschuldige und Scherge bei ungerechter Verfolgung
zu sein, vielmehr die Bedrohten gegen solche zu schützen; da
sich ferner von selbst versteht, dass der fremde Staat nur wegen
derjenigen Anschuldigungen, über welche er Mitiheilungen ge-
macht und Beweise geliefert hat, nicht aber auch gegen belie-