556 Völkerrechtliche Lehre
Ausländer nicht das Recht, die volle und ausnahmslose An-
wendung der ‚Landesgeselze auf seine Person in Anspruch zu
nehmen; vielmehr steht dem Staate frei, entweder im einzelnen
Falle Bedingungen der Duldung zu machen, oder durch allge-
meine Vorschriften, welchen sich alle Flüchtlinge zu unterwerfen
haben, ihre Verhältnisse zu ordnen. Zugegeben mag dabei wer-
den, dass alle diese Beschränkungen grundsätzlich nicht weiter
gehen sollen, als es die dem Staate obliegende und von ihm
anerkannte Beihülfe zur Rechtsordnung erfordert.
Im Allgemeinen ist Nichtzulassung Grundsatz: theils
wenn sich der Flüchtling gemeinschaftlich mit diesseitigen Unter-
thanen einer Verletzung eines fremden Staates schuldig gemacht
hat, wegen welcher letztere diesseitiger Strafe verfallen werden;
theils bei solchen Vergehen gegen fremde Staaten, welche. nicht
blos das positive Recht verletzten, sondern auch die sittliche
Ordnung der menschlichen Gesellschaft in ihrer Grundlage an-
greifen; theils endlich, wenn der Staat bereits sichere Kunde
davon hat, dass der sich Anmeldende grober Verletzungen von
Privatrechten schuldig ist. Im letzteren Falle mag entweder ein-
fache Verweisung oder, nach Beschaffenheit des Falles, Verhaftung
und Auslieferung verfügt werden.
Eine Wiederaufkündigung des Asyles aber tritt regel-
mässig, auch ohne Verlangen von Aussen, ein, wenn Flüchtlinge
nach ihrer Aufnahme weitere Rechtsverletzungen gegen fremde
Siaaten vorbereiten oder begehen, oder wenn sie die ihnen im
Allgemeinen oder Einzelnen gesetzten Bedingungen brechen. Im
letztern Falle hängt es vom Staate ab, ob er wohl die verwirkte
Strafe erstehen lassen oder sogleich mit der Ausweisung beginnen
will. Handelt es sich von einer gerichtlichen Maassregel gegen
einen Flüchtigen, sa findet natürlich das allgemeine gesetzliche
Verfahren auch gegen ihn stalt, da die Gerichte kein anderes
kennen und befolgen dürfen. Namentlich sind die landesüblichen
Grundsätze des Beweisverfahrens gegen ihn einzuhalten, und
auch fremde Staaten können keine Abweichung von denselben
verlangen. Zu einer einfachen Wiederausweisung reicht der Grad
und die Art der Gewissheit hin, welche überhaupt zu Verwaltungs-
maassregeln berechligen.