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IV. Das Staatsrecht.
8 15.
Staatsrecht ist der Inbegriff der auf die politischen Ge-
meinwesen bezüglichen Rechtsnormen. Das Staatsrecht beschäftigt
sich nicht bloß mit den Rechtsverhältnissen der Staaten, sondern
auch mit denen der anderen politischen Verbände, insbesondere
der Kommunalverbände und Staatenverbindungen.
I. Das Staatsrecht bildet einen Zweig der Staatswissen-
schaften. Die Staatswissenschaften zerfallen in:
beschreibende Staatswissenschaften, als deren
Gegenstand die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse er-
scheint, und
lehrende Staatswissenschaften, d.h. solche, welche
Grundsätze für die staatlichen Verhältnisse aufstellen. Letztere
sind:
1. die allgemeine Staatslehre, welche Begriff und
Wesen des Staates und der anderen politischen Verbände ent-
wickelt!;
2. das Staatsrecht, welches die Grundsätze des Rechtes,
3. die Politik, welche die Grundsätze der Zweckmäßigkeit
darstellt.
Die Politik? hat gegenüber dem bestehenden Recht eine
doppelte Aufgabe: 1. dasselbe auf seine Zweckmäßigkeit hin zu
prüfen (Gesetzgebungspolitik); 2. Grundsätze des zweckmäßigen
Handelns innerhalb der Schranken des geltenden Rechtes auf-
zustellen (Regierungs- und Verwaltungspolitik). In letzterer Be-
ziehung kann also von Politik nur bei denjenigen Funktionen der
Staatsgewalt die Rede sein, welche sich als ein freies Handeln
innerhalb der gesetzlichen Schranken charakterisieren, nicht bei
denjenigen, welche eine bloße Anwendung oder Vollziehung der
Gesetze enthalten ®.
ı Über Begriff, Bedeutung und Aufgabe der allgemeinen Staatslehre:
Jellinek, Staatel. 3—24; Rehm, Staatsl. 1—10 und Staatsl. (1907) 5—14;
R. Schmidt, Allg. Staatsl. 1 1-33. , .
9% Schaeffle, Über den wissenschaftlichen Begriff der Politik, Z.StaatsW.
58 579 f£.; van Calker, Politik als Wissenschaft (1898). Über den Begriff der
Politik vgl. die in vorstehender Anmerkung zitierten Werke: Jellinek 13 ff.;
Rehm 8ff.; Schmidt 25 ff. Systematische Darstellungen der Politik aus
neuester Zeit: H. v. Treitschke, Politik, 2 Bde. (1897, 1898); Schollenberger,
Politik (1908); Bentzheimer, System der Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 8
(hilosophie dee Staates samt den Grundzügen der Politik (1906); Tönnies,
siologie u. Politik (1908); Stier-Somlo, Politik (2.. A. 1911); vgl. ferner die
Artikel von Zorn, Rehm, van Calker, Berolzheimer und Lamprecht im 1. Bande
des Handb. der Politik (1912); R. Schmidt, Art. Politik im WStVR. 8 383 ff.
® Zu letzteren gehört namentlich die Rechtapfloge. Aber es ist nicht
nötig, diese Beschränkung in die Definition der Politik aufzunehmen, wie es
von v. Holtzendorff, Prinzipien der Politik (2. A. 1879) 10 geschieht.