Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

132 3B. Buch. Der Rechtsschutz auf dem Gebiete des össfentlichen Rechts. 
auch im Verwaltungsstreitverfahren die Zentral= und Provinzial- 
verwaltungsbehörden befugt. Die Entscheidung über die Zuständigkeit 
erfolgt durch die Verwaltungsgerichte und, wenn sich in derselben Sache 
Verwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht zuständig erklärt haben, 
durch das O#G. (§ 113 LVG.). 
8 35. Das Beschlußverfahren (88 115—126 LVG.).1) 
Der Vorsitzende des Kreis-(Stadt-) ausschusses ist be- 
sugt, in Fällen, welche keinen Aufschub zulassen, oder in welchen das 
Sach= und Rechtsverhältnis klar liegt und die Zustimmung des Kolle- 
giums nicht im Gesetz ausdrücklich als erforderlich bezeichnet ist, namens 
der Behörde Verfügungen zu erlassen und Bescheide zu erteilen. 
Die gleiche Befugnis steht dem Vorsitzenden des Bezirks- 
ausschusses und des Provinzialrats mit der Maßgabe zu, daß 
eine Abänderung der durch Beschwerde angefochtenen Beschlüsse des. 
Kreis= (Stadt-) ausschusses bezw. des Bezirksausschusses nur unter 
Zuziehung des Kollegiums erfolgen darf. Den abgewiesenen Beteiligten 
ist darin zu eröffnen, daß sie binnen 2 Wochen auf Beschlußfassung 
durch das Kollegium antragen oder dasjenige Rechtsmittel einlegen 
können, welches zulässig wäre, wenn die Verfügung bezw. der Bescheid 
auf Beschluß des Kollegiums erfolgt wäre. Die Behörden fassen ihre 
Beschlüsse auf Grund der verhandelten Akten, sofern nicht das Gesetz 
ausdrücklich mündliche Verhandlung vorschreibt. Gegen die in 1. Instanz 
ergangenen Beschlüsse findet innerhalb 2 Wochen die Beschwerde an 
den Bezirksausschuß bezw. Provinzialrat statt; sie ist bei derjenigen 
Behörde anzubringen, gegen deren Beschluß sie sich richtet. Sie steht 
aus Gründen des öffentlichen Interesses auch den Vorsitzenden der Be- 
hörden zu. Die auf die Beschwerden ergehenden Bescheide sind, soweit 
das Gesetz nicht anders bestimmt, endgültig. In einigen Ausnahme- 
fällen geht die Beschwerde an den Minister. Endgültige Beschlüsse, 
welche die Befugnisse der Behörde überschreiten oder das bestehende 
Recht verletzen, können vom Vorsitzenden mittels Klage beim OG. 
angefochten werden. 
Für Gewerbe-, Armen= und Disziplinarsachen gelten besondere Be- 
stimmungen, s. § 157 LVG. 
Bezüglich des Anwendungsgebiets des Beschlußverfahrens ist in den 
Gesetzen keine generelle Bestimmung getroffen, sondern es werden nur 
einzelne Fälle, besonders im Zuständigkeitsgesetz, namhaft gemacht. Als 
Regel kann gelten, daß das Verwaltungsstreitverfahren in allen Ange- 
legenheiten Anwendung findet, wo die Gesetze von Entscheidung in 
streitigen Verwaltungssachen oder von einer bei dem Kreis= oder Be- 
zirksausschuß anzubringenden Klage sprechen. In den Fällen, wo das 
Beschlußverfahren in Frage kommt, wird in den Gesetzen stets gesagt, 
daß der Kreisausschuß u. s. w. beschließt. Das OVG. verfährt nur 
im Streit-, der Provinzialrat nur im Beschlußverfahren, während Kreis- 
und Bezirksausschuß sowohl als entscheidende wie beschließende Kollegien 
tätig sind. 
1) v. Brauchitsch a. a. O. Bd. 1 (20. Aufl.). S. 74 ff, 153 ff., 242f.
	        
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