Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 51. Die Staatsfinanzverwaltung. 177 
Lande und die Gewerbesteuer erhoben wurden. Die Finanzverwaltung 
selbst wurde durchgreifend geordnet durch die Verordnung v. 17. Jan. 
1820. In der Folgezeit trat neben die Klassensteuer seit 1851 eine 
klassifizierte Einkommensteuer für die Einkommen von über 1000 Talern, 
die Grund= und Gebäudesteuer wurde 1861 einheitlich gestaltet, die 
Schlacht= und Mahlsteuer kam seit 1875 meistens in Wehfall. 
Wichtige Veränderungen in dem preußischen Steuersystem traten 
durch die Errichtung des Norddeutschen Bundes bezw. Deutschen Reichs 
ein. Die meisten indirekten Steuern gingen auf den Norddeutschen 
Bund bezw. das Reich über. Preußen verblieben anfänglich noch die 
Stempel= und Erbschaftssteuer, von denen letztere infolge der Reichs- 
erbschaftssteuer (Erbschaftssteuergesetz vom 3. Juni 1906) in Wegfall 
kam. Neue Einnahmen erschlossen sich für Preußen aus der Verstaat- 
lichung der Eisenbahnen. Eine neue durchgreifende Ordnung der 
direkten Steuern und der Kommunalbesteuerung vollzog sich in Preußen 
in den Jahren 1891/93 durch die Migquel'sche Steuerreform. 
Zweiter Titel. 
§#352. Das Budgetrecht und die Rechnungskontrolle. :!) 
Bereits seit Errichtung der Generalrechenkammer im Jahre 1714 
bedurfte es der Aufstellung eines Staatshaushaltsvoranschlags (Etats) 
für alle im Laufe des Etatsjahres voraussichtlich eingehenden Ein- 
nahmen und die erforderlich werdenden Ausgaben des Staates. Be- 
züglich der Ausgaben lag darin zugleich eine Instruktion für die Be- 
amten, sodaß sie hiernach beurteilen konnten, was sie ausgeben durften, 
widrigenfalls sie wegen des Mehrbetrages ein Tesektenverfahren zu ge- 
wärtigen hatten. Damals hatte der Etat nur eine interne und staats- 
wirtschaftliche Bedeutung; eine staatsrechtliche Bedeutung erhielt er erst 
durch die preußische Verfassungsurkunde, indem durch die Bestimmungen 
der Verfassung das Verhältnis der verschiedenen Staatsgewalten zu- 
einander, insbesondere das Verhältnis der zweiten Kammer zur Staats- 
regierung geregelt wurde. 
Art. 99 der preußischen Verfassung bestimmt: Alle Einnahmen und 
Ausgaben des Staates müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt 
und auf den Staatshaushaltsetat gebracht werden. 
Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt. Nach dem Gesetz 
vom 29. Juni 1876 (GS. S. 177) beginnt das Etatsjahr in Preußen 
mit dem 1. April und endet am 31. März. UÜber die Tragweite des 
1) Literatur: R. Gneist, Gesetz und Budget. 1878; derselbe in v. Holtzendorffs 
Rechtslexikon III S. 732 Art.: „Steuerverweigerung“; P. Laband, Das Budget- 
recht nach den Bestimmungen der preuß. Vl. 2c. Berlin 1867; derselbe in der 
Zeitschr. f. öffentl. R. 1886 S. 137 ff.; H. Schulze, Lehrb. des preuß. Staatsr. II 
§ 200; Zorn, Reichsstaatsr. II S. 327 f.; derselbe in Hirths Annalen 1889 S. 363; 
v. Rönne, Preuß. Staatsr. 1 §§ 116 f.; G. Meyer, Lehrbuch §§ 204 ff; Fricker, 
Die Natur der Steuerbewilligung und des Finanzgesetzes, in d. Zeitschr. f. d. ge- 
samte Staatswissenschaft Bd. 17 S. 663 f.; Gustav Seidler, Budget und Budget- 
recht, Wien 1885; Arndt, Arch. f. öffentl. R. 1888 S. 532 f. VU. Bem. zu 
Tit. VIII. S. 306 ff. 
Altmann, Handvuch der Verfassung 11. 12
	        
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