182 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
Es bezieht sich diese Vorschrift nur auf finguläre (individuelle) Be-
freiungen, nicht etwa darauf, daß es unzulässig sei, für gewisse Klassen
von Staatsbürgern Steuerfreiheiten oder Bevorzugungen durch Gesetz
einzuführen. Aufnahme von Anleihen und Übernahme von Garantien
zu Lasten des Staates finden nur auf Grund eines Gesetzes statt
(Art. 103 Vl.). Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift enthält eine
Verfassungsverletzung, welche allerdings nur für das Verhältnis zwischen
der Staatsregierung und dem Landtage rechtlich bedeutsam ist, da nach
herrschender Ansicht nach außen der Staat für Darlehns= und Bürg-
schaftsschulden haftet, auch bei Nichtbeachtung des Art. 103. (Vgl.
Arndt Vu. Anm. 4 zu Art. 103 S. 331; a. M. v. Rönne I S. 664,
welcher derartige Schulden für nichtig hält, während Schwartz S. 310
sie dem Staate gegenüber als unwirksam erklärt. Der Wortlaut des
Art. 103 unterstützt nicht die letztgedachten beiden Ansichten.)
Die unmittelbare Vereinnahmung, Verwahrung und Verausgabung
aller Staatsgelder findet an oberster Stelle statt durch die General-
staatskasse, neben der noch die Generallotterie-, die Generalmilitär-
und die Staatsschuldentilgungskasse als selbständige gleichgeordnete
Kassen bestehen. Alle Einnahmen und Ausgaben der Generalstaats-
kasse gehen durch die Regierungshauptkassen, die als Zentral-
kassen für die verschiedenen Verwaltungszweige innerhalb des Regierungs-
bezirks gelten. Unter diesen Kassen stehen die Kreiskassen und als
Spezialkassen die Domänen= und Forstkassen, die Hauptzoll- und Haupt-
steuerkassen für Zölle und indirekte Steuern, die Gerichtskassen, die
Oberbergamts-, Berg= und Hüttenamtskassen und die Eisenbahnkassen.
Bei allen Kassen sind besondere Beamte für das Zahlungsgeschäft
(Kassierer, Rendanten), für die Buchungen (Buchhalter) und für den
Büreau. und Unterbeamtendienst (Kassenschreiber und Kassendiener)
angestellt.
Unterschlagungen der Kassenbeamten werden besonders bestraft (val.
St GB. 858 350, 351 und 353); ihre Defekte werden in einem eigenen
Verfahren (Defektenverfahren) festgestellt.
Zu den Kassenbeamten gehören die Landrentmeister bei den Regierungs-
hauptkassen und die Rentmeister bei den Kreiskassen.
Das Verfahren in Kassensachen (Führung der Kassenbücher, Journale,
Manuale, Asservate, Kassenabschlüsse (Kassenextrakte), Jahres= (Final-)
abschluß) ist im einzelnen geregelt durch Kassenreglements. Alle Ein-
nahmen und Ausgaben sind durch Anweisungen (Order) der zu-
ständigen Behörden zu rechtfertigen (justifizieren), die Ausgaben außer-
dem durch Belege (Quittungen). Als Belege für Zahlungen an Privat-
empfänger bis zum Betrage von 800 M. sind Posteinlieferungsscheine
zugelassen. Die Zahlungen finden in der Regel nur im Kassenraume
statt (BGB. § 270 Ec. Art. 92 und A. Art. 11) und sind in
eichtmunzen oder Reichskassenscheinen zu leisten (Reichsmünzgesetz
rt. 1 1).
Zur Aufsicht über die Kassenverwaltung sind für die einzelnen
Kassen Kassenkuratoren bestellt. Bei den Regierungshauptkassen steht
die Kuratel den Regierungspräsidenten, die besondere Aufsicht den