Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 53. Staatsvermögen. 187 
Privattätigkeit überlassen. Der Staat pflegte nur in soweit den Aus- 
bau des Eisenbahnnetzes zu befördern, daß er mehrfach Garantien für 
die Zinsen des Anlagekapitals übernahm. Dazu bedurfte es allerdings 
jedes Mal der Genehmigung des Landtages (Art. 103 VlU.). Seit 
dem Anfang der fünfziger Jahre trat der Staat selbst als Eisenbahn- 
unternehmer auf, indem er teils für eigene Rechnung Strecken baute 
und erwarb (z. B. die Ostbahn bezw. die Niederschlesisch-Märkische 
Bahn), teils Privatbahnen in Betrieb und Verwaltung nahm (so 1851 
die Bergisch-Märkische Bahn und 1857 die Oberschlesische Bahn). Auf 
diese Weise waren in Preußen Staatsbahnen und Privatbahnen neben- 
einander in Betrieb (das gemischte Staats= und Privatbahnsystem). 
Allmählich überwog aber das Staatsbahnsystem, indem der Staat sein 
Staatsbahnnetz durch den Hinzutritt der Bahnen der 1866 annektierten 
Staaten erheblich erweiterte. Auch die Erwerbung von Privatbahnen 
wurde staatlicherseits systematisch fortgesetzt. Namentlich in den Jahren 
1879—1884 wurden größere Privatbahnkomplexe in einer Gesamt- 
länge von jedesmal 3000—4000 km vom Staate erworben. Der 
Betrieb und die Verwaltung der meisten Privatbahnen ging auf den 
Staat in der Weise über, daß die Stammaktien gegen 4% bezw. 
3½ % konsolidierte Staatsanleihe umgetauscht wurden. Durch die 
Verstaatlichung der Eisenbahnen haben nicht nur die Verkehrsverhält- 
nisse, Handel und Industrie eine außerordentliche Steigerung erfahren, 
sondern auch die Volkswohlfahrt und die Landesverteidigung sind in 
erheblichem Maße gefördert worden. Die Vorteile der Staatsbahn- 
verwaltung liegen auch auf technischem Gebiete. Zeitgemäße Ver- 
besserung und Erneuerung des Betriebsmaterials, einheitliche Leitung, 
größere Gleichmäßigkeit und Stetigkeit der Tarife machten den Staats- 
bahnbetrieb zu einem mustergültigen und unerreichten. Endlich sind auch 
die Eisenbahnen unbeschadet der Förderung der Verkehrsinteressen und 
Berücksichtigung aller Neuerungen im Verkehrsleben eine der wichtigsten 
Einnahmequellen des Staates geworden. Von diesen Einnahmen kann 
nicht nur die Verzinsung der Eisenbahnschuld und der übrigen Staats- 
schuld erfolgen, sondern es können durch sie auch eine teilweise Tilgung 
der Staatsschuld und erhebliche Ausgaben für die Eisenbahnen selbst 
bestritten werden. 
Ülber die jeweilige Verwendung der Jahresüberschüsse ist durch das 
(sogen. Eisenbahngarantie-) Ges. vom 27. März 1882 (GS. S. 114) 
nähere Bestimmung getroffen. 
Die Überschüsse sollen hiernach verwandt werden zunächst zur Ver- 
zinsung der jeweiligen Staatseisenbahnkapitalschuld, sodann bis zu 
2200000 M. zur Ausgleichung eines etwaigen Fehlbetrages im Staats- 
haushalt, hierauf zur Tilgung der Eisenbahnschuld im Wege der Ab- 
schreibung bis zur Höhe von /4 vom Hundert dieser Schuld und erst 
der Rest nach Bestimmung des Staatshaushalts. 
Nach dem Gesetz, betr. die Bildung eines Ausgleichsfonds für die 
Eisenbahnverwaltung vom 3. Mai 1903 (GS. S. 155) soll ein 
etwaiger Überschuß des Staatshaushalts, welcher sich nach der Jahres- 
rechnung ergibt, zunächst zur Bildung oder Ergänzung eines Aus-
	        
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