g 854. Staatsschulden. 189
Die Anleihen sind meist verzinslich. Der Zinsfuß der Anleihen des
preußischen Staates beträgt 4,3 und 3½ Prozent. Die Erhebung
der Zinsen erfolgt gegen Zinsscheine (Coupons), die mit den Schuld-
scheinen für einige Jahre ausgegeben und nach deren Ablieferung gegen
Einlieferung eines mit dem Schuldschein verbundenen Erneuerungs-
scheins (Talon) erneuert werden. Diese Erneuerung findet alle 4 Jahre,
bei den konsolidierten Schulden alle 10 Jahre statt. Die Kraftlos-
erklärung (Aufgebotsverfahren) verlorener oder vernichteter Zinsscheine
ist ausgeschlossen. Die Zinsen sind bei allen öffentlichen Kassen ein-
lösbar und verjähren in vier Jahren nach der Fälligkeit (§ 197 BGB.).
Unverzinslich sind die Reichsschatzanweisungen, welche nur für eine
schwebende Schuld, eine Finanzschuld, die durch alsbald zu erwartende
Einnahmen gedeckt werden soll, ausgegeben werden.
Eine allgemeine Regelung des Staatsschuldenwesens erfolgte in
Preußen erst im Jahre 1820. Es fand damals eine Zusammenstellung
der Schulden im Etat, eine Veröffentlichung und Sicherstellung der-
selben durch Verpfändung des gesamten Staatsvermögens, insbe-
sondere der Domänen und Forsten statt. Demnächst wurde die
Schuld durch regelmäßige Tilgung gemindert. Seit 1848 wuchs jedoch
wieder die Schuldenlast, insbesondere durch Aufnahme von Anlage-
anleihen, sie wurde auch erheblich vermehrt durch Übernahme der
Schulden der 1866 neuerworbenen Landesteile. Seitdem ist die
Staatsschuld in fortgesetztem Steigen geblieben. Die neuen An-
leihen sind nicht mehr durch Verpfändung sichergestellt worden, da der
Staatskredit genügende Sicherheit bot. Sie werden börsenmäßig ge-
handelt. Die preußischen Staatsanleihen sind ausschließlich nur auf
Kündigung des Staats als Schuldners rückzahlbar. Der Gläubiger
hat also auf die Rückzahlung kein Recht. Das Recht des Gläubigers
besteht hier vielmehr lediglich in dem Anspruch auf die Zinsen. Da-
mit hat er ein Rentenrecht, welches der Schuldner, der Staat, durch
Rückzahlung des Kapitals ablösen darf, während der Gläubiger die
Zahlung des Rentenkapitals nicht zu fordern berechtigt ist. Die große
Mehrzahl der preußischen Staatsanleihen ist eine derartige Renten-
anleihe. Wegen der großen Sicherheit, die diese preußischen Staats-
anleihen gewähren, und da der Staat die Anleihen auch in kleine Be-
träge zerlegt hat, sind diese Anleihen ein allgemeines Mittel der
Kapitalanlage geworden. Da die vielen preußischen Anleihen gemäß
ihrer zeitlich verschiedenen Ausgabe auch in ihren Bedingungen erheb-
lich voneinander abwichen, hat der preußische Staat eine „Konsoli-
dation“ der verschiedenen Anleihen vorgenommen, d. h. die Be-
dingungen gleichmäßig gestaltet. Man spricht deshalb auch im Ver-
kehr von einer konsolidierten Staatsanleihe. Für die preußische kon-
solidierte Staatsanleihe ist sogar nur durch Gesetz die Bestimmung zu-
lässig, daß sie der Kündigung unterliegt. Ein Kündigungsrecht für
den Gläubiger gibt es nicht. Die rechtliche Zulässigkeit einer der-
artigen Konsolidation ist davon abhängig, daß sie entweder in den An-
leihebedingungen vertragsmäßig vorgesehen war (Vorbehalt), oder der
Gläubiger zustimmt. Hat jedoch der Schuldner, wie hier stets der