Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

210 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
so sind die in dem Stempeltarif aufgeführten Urkunden stempelpflichtig, 
welche mit dem Namen oder der Firma des Ausstellers unterzeichnet 
sind, wobei den unterschriftlich vollzogenen Urkunden diejenigen gleich- 
stehen, unter welchen der Name oder die Firma des Ausstellers in 
seinem Auftrage unterschrieben oder mit seinem Wissen und Willen durch 
Stempelaufdruck, Lithograph rc. mechanisch hergestellt ist. Schriftwechsel 
unterliegt nur dann der Verstempelung, wenn nach der Verkehrssitte 
ein förmlicher schriftlicher Vertrag abgeschlossen zu werden pflegt, und 
dieser Vertrag durch den Schriftwechsel ersetzt werden sollte. Der 
Stempelsteuer unterliegen auch im Auslande errichtete Urkunden, welche 
im Inlande befindliche Gegenstände betreffen, oder welche im Inlande 
zu erfüllen sind. Ob die im Auslande errichtete Vollmacht der 
inländischen Stempelabgabe unterliege, wenn die vom Bevollmächtigten 
wahrzunehmenden Geschäfte im Inlande befindliche Gegenstände betreffen 
oder im Inlande auszuführen seien, ist bisher in der Rechtsprechung 
und Verwaltungspraxis (RG. v. 15. November 1898 JM l. S. 119 
und KE. vom 7. Februar 1899 i. Johow 27 B. S. 63) bejaht 
worden, neuerdings ist aber Widerspruch laut geworden, weil die 
Vollmacht insbesondere nach der Auffassung des BGB. (§8 167) ein 
selbständiges Rechtsgeschäft sei, bei dem der Begriff des Erfüllungs- 
ortes nicht anwendbar sei. Vgl. E. Heinitz, Kommentar. Bem. 2e 
zu § 2 S. 31 (3. Aufl.). 
Sachlich sind von der Stempelsteuer befreit Urkunden, die einen 
Wert bis 150 M. darstellen, Urkunden, welche lediglich wegen Leistungen 
an den Reichs= oder preußischen Fiskus infolge allgemeiner Vorschriften 
aufgenommen werden müssen; die auf die Heeresergänzung und Be- 
freiung vom Heeresdienste und militärischen Ubungen bezüglichen 
Urkunden, von den Auseinandersetzungsbehörden oder auf deren Veran- 
lassung von anderen Behörden ausgestellten Urkunden, ferner Urkunden, 
welche Enteignungen, Katasterauszüge, Schiedsmannsverhandlungen, 
endlich Urkunden über Gegenstände, denen durch frühere Gesetze oder 
landesherrliche Privilegien Stempelfreiheit bewilligt ist (z. B. Gesetz 
über das Mobiliarfeuerversicherungswesen vom 8. Mai 1837 GS. 
S. 102 § 14 Abs. 4; Ges. betreffend die Wechselstempelsteuer vom 
10. Juni 1869 BGl. S. 193; G. 8§ 99, 100c, 103 n, Abs. 1, 
108 Satz 1, 114, 126 b Abs. 4, 127c, 131 Abs. 4, 133 Abs. 6, 134 
Abs. 1; Ges. über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit 
vom 1. Juni 1870, BGBl. S. 355 § 34 u. a. m.). 
Persönlich sind von der Stempelsteuer befreit: Der König, die 
Königin und die königlichen Witwen, der Reichs= und der preußische 
Fiskus und deren öffentliche Anstalten und Kassen, deutsche Kirchen 
und Religionsgesellschaften mit den Rechten einer juristischen Person, 
öffentliche Armen-, Kranken-, Arbeits= und Besserungsanstalten, öffent- 
liche Waisenhäuser, vom Staate genehmigte Hospitäler und andere 
Versorgungsanstalten, ferner vom Staate genehmigte Vereine für die 
Kleinkinderbewahranstalten sowie Stiftungen, welche als milde ausdrücklich 
anerkannt sind. Über die Auslegung des streitigen Begriffs „milde
	        
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