§ 67. 2. Polizeiliche Maßnahmen. 249
Kommt es zu einem gleichzeitigen Einschreiten der Polizeibehörde
und des Strafrichters wegen desselben Tatbestandes, so ist die Ent-
scheidung des letzteren nicht für die erstere maßgebend (anders in den
Fällen, wo die Polizei als gerichtliche Polizei tätig wird), da die Ziele
des Einschreitens beider Organe verschieden sind. Die polizeilichen
Maßnahmen bezwecken allgemein die Verhinderung bezw. Aufhebung
des gesetzwidrigen Zustandes, während die richterliche Tätigkeit sich nur
auf die Feststellung des gesetzwidrigen Zustandes und die Bestrafung
dessen, der ihn verschuldet hat, erstreckt.
Unter Umständen hat allerdings die Polizei den Anordnungen anderer
zur Wahrung der öffentlichen Ordnung auf gewissen Spezialgebieten
eingesetzten Behörden Folge zu leisten. So z. B. können die
Aussichtsbehörden des Unterrichtswesens (Provinzialschulkollegien,
Regierungsabteilungen, in höchster Instanz der Unterrichtsminister)
zwecks Wahrung der öffentlichen Ordnung im Unterrichtsgebiete er-
forderlichen Falls die Hilfe der Polizeibehörden in Anspruch nehmen
(§ 48 des als Beilage zu der Reg.-Instruktion vom 23. Oktober 1817
abgedruckten Auszugs aus dem Publikandum vom 26. Dezember 1908
GS. 1817 S. 282, vgl. OVG. Bd. 11 S. 401/402). Eine selbst-
tätige Mitwirkung der Polizeibehörden in Schulangelegenheiten ist diesen
insoweit zugewiesen, als sie die Festsetzung und Einziehung von Schul-
versäumnisstrafen zu bewirken haben.
b) Formen der polizeilichen Maßnahmen.) Die Formen
des polizeilichen Einschreitens sind verschieden. Der obrigkeitliche
Befehl kann die Form der Verordnung, Verfügung, Bekanntmachung
des Reglements oder der tatsächlichen Anordnungen und des Vollzugs
des Befehls annehmen.
Die polizeiliche Verfügung enthält ein Gebot (Anordnung
einer Handlung) oder ein Verbot (Anordnung einer Unterlassung), sie
will Rechtsverletzungen vorbeugen, indem sie bestimmte Handlungen
oder Unterlassungen herbeizuführen sucht. Gegenstand einer polizeilichen
Verfügung kann alles das sein, was nach dem Ges. vom 11. März
1850 durch Polizeiverordnung geregelt werden darf (OVG. E. Bd. 13
S. 395). Die rechtliche Grundlage beider Anordnungen ist dieselbe, sie
ist begründet im § 10 II, 17 preußischen A#R. Eine nähere Be-
stimmung der Zwangsbefugnisse der Polizei befindet sich in § 132 LVG.
Der Unterschied zwischen polizeilicher Verfügung und Polizeiverord-
nung liegt darin, daß erstere an eine einzelne Person oder an be-
stimmte Personen gerichtet ist und nur einen einzelnen Fall betrifft,
während dagegen die Polizeiverordnung auf eine Mehrheit von
Personen und Fällen berechnet ist. Die Polizeiverordnung bezweckt
ferner die Bestrafung einer Rechtsverletzung, während bei der Polizei-
verfügung die etwa angedrohte Strafe nur dem Zwecke der Beseitigung
der Störung (Erzwingung einer Handlung oder Unterlassung) dient.
Der Erlaß einer polizeilichen Verfügung setzt das Vorhandensein
eines polizeilichen Interesses im einzelnen Falle voraus, während dieser
1) Vgl. v. Arnstedt a. a. O. Bd. 1. S. 65 ff.