8 4. Rechtliche Stellung des Staatsoberhauptes. 7
VU.). Die Vorschrift bezüglich der Handelsverträge ist in sofern obsolet
geworden, als Handelsverträge jetzt zur ausschließlichen Zuständigkeit
des Reichs gehören (Art. 33—35 RV.).
Unter Lasten sind nur finanzielle Lasten z. B. Garantie für die
Gotthardbahn, unter Verpflichtungen nur solche zu verstehen, welche den
Untertanen nicht durch einfache Verordnung auferlegt werden können
z. B. Aufhebung der Preßfreiheit, neue Steuer (auf Zucker), Zoll auf
eingeführtes Eisen.
Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch
unabhängige Gerichte ausgeübt, wobei jedoch dem Könige das Recht
der Begnadigung und Strafmilderung zusteht (Art. 49 Abs. 1 VU.).
Das Begnadigungsrecht, welches als Souveränitätsrecht dem
Staatsoberhaupt zusteht, erleidet nach Abs. 2 Art. 49 eine Einschränkung,
indem zugunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten
Ministers dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt
werden kann, von welcher die Anklage ausgegangen ist. Bereits ein-
geleitete Untersuchungen kann der König nach Art. 49 Vll. nur auf Grund
besondern Gesetzes, also nur unter Mitwirkung des Landtages nieder-
schlagen. Auch Gnadenerlasse bedürfen der ministeriellen Gegenzeichnung.
Die Frage, ob der König befugt ist, durch allgemeine Amnestie die
Strasverfolgung bezüglich gewisser, noch nicht zur strafrechtlichen Ver-
folgung gezogener Straftaten auszuschließen, ist seitens des preußischen
Obertribunals (Oppenhoff, Rechtsp. Bd. 1 S. 293) bejaht worden.
Ebenso ist mangels abweichender Bestimmung der Verfassung anzu-
nehmen, daß das Begnadigungsrecht vom König für gewisse Klassen von
Fällen an andere delegiert werden kann (ogl. Arndt, Verordnungsr.
S. 172; Schwartz S. 142).
Der König hat das Recht, Auszeichnungen, insbesondere Standes-
erhöhungen (Adel), Titel und Orden zu verleihen (Art. 50 Vll.).
Von ausländischen Souveränen preußischen Staatsangehörigen verliehene
Orden, Adelsprädikate, Titel u. s. w. bedürfen königlicher Genehmigung.
Dem König allein steht das Recht zu, die Erlaubnis zur Anderung
des Familien= oder Geschlechtsnamens zu erteilen (K O. v. 15. April
1822. GS. S. 108). Dies Recht ist, soweit nicht adelige Namen in
Frage kommen, delegiert den Regierungen bzw. Regierungspräsidenten
AE. v. 12. Juli 1867 (GS. S. 1310); Verfahren MR. v. 9. August
1867 (VMhl. S. 246). Unverehelichten kann das Prädikat Frau
nur mit königlicher Genehmigung erteilt werden (VMl. 1869 S. 149).
Das dem Könige zustehende Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes
(Art. 50 Abs. 2 Vl.) ist auf das Reich übergangen (Art. 4 Nr. 3 NV.).
Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen.
Er kann sie entweder beide zugleich oder auch nur eine auflösen. Es
müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraumes von
sechszig Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines
Zeitraumes von neunzig Tagen nach der Auflösung die Kammern ver-
sammelt werden (Art. 51 Vl.).
Nach vorstehendem muß die Berufung und Schließung für beide
Kammern gleichzeitig geschehen. Im Falle der Auflösung müssen die