8 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates.
Wähler und die Kammern binnen einer bestimmten Frist zusammen-
berufen werden. Ein Selbstversammlungsrecht besitzen die Kammern
nicht, auch ein Zusammentritt der Kammern vor der königlichen Ein-
berufung oder nach der königlichen Schließung wäre unerlaubt, und
würde keine Kammer im Sinne der Verfassung darstellen. Der Schluß,
ebenso die Auflösung hat die Beendigung aller Arbeiten des Landtages
zur Folge; was von den Gesetzesvorlagen nicht erledigt ist, bleibt uner-
ledigt, alle Gesetzesvorlagen müssen von neuem eingebracht werden,
das Präsidium und die Kommissionen müssen von neuem gewählt
werden.
Das Auflösungsrecht kommt jetzt nur noch bezüglich des Hauses der
Abgeordneten in Frage, da das Herrenhaus keine Wahlkammer ist
(Art. 1 des Ges. v. 7. Mai. 1853 GS. S. 181). Die Auflösung des
Abgeordnetenhauses zieht die gleichzeitige Vertagung des Herrenhauses
nach sich (Art. 77 Abs. 3 Vl.). Ob das Abgeordnetenhaus zur Zeit
der Auflösung versammelt ist oder nicht, ist gleichgültig, dagegen muß
das neu gewählte Abgeordnetenhaus bereits zusammengetreten gewesen
sein, um aufgelöst werden zu können. (Vgl. Arndt, Vu. Anm. 8 zu
Art. 51 S. 199, Bornhak, Preuß. Staatsr., v. Rönne Bd. 1 S. 285,
a. M. Schwartz S. 147.)
Dem Könige steht auch ein Vertagungsrecht bezüglich beider
Kammern zu, jedoch darf ohne die Zustimmung der Kammern die Ver-
tagung die Frist von dreißig Tagen nicht übersteigen und während der-
selben Session nicht wiederholt werden (Art. 52 Vll.). Präsidium, Tätig-
keit und die gebildeten Kommisionen nehmen nach Ablauf der Ver-
tagung ihre frühere Tätigkeit wieder auf und setzen diese weiter fort.
Die Vertagung geschieht im Wege Königlicher Verordnung, die der
ministeriellen Gegenzeichnung bedarf (Art. 44 Vl.).
Thronfolgeordnung. Die Krone ist den Königlichen Haus-
gesetzen gemäß erblich in dem Mannesstamme des Königlichen Hauses
nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.
(Art. 53 Vu.) Maßgebend ist hiernach eine deutschrechtliche Agnation,
die durch Männer vermittelte Blutsverwandtschaft; der Erstgeborene geht
seinen Brüdern vor; beim Tode des Erstgeborenen soll erst seine ganze
Linie d. h. alle, welche ihn zum gemeinschaftlichen Stammvater haben,
erbfolgeberechtigt sein, danach schließt die Deszendenz des älteren
Prinzen den jüngeren Prinzen und dessen Deszendenz aus. Die
Kognaten d. h. Frauen und durch Frauen verwandte Männer haben
kein Erbfolgerecht. Im Falle des Aussterbens aller Agnaten kommen
die Erbverbrüderungsverträge Preußens mit Hessen und Sachsen nicht
in Betracht, da sie eine unstatthafte Teilung Preußens vorschreiben.
Das Fürstliche Haus Hohenzollern ist nicht nachfolgeberechtigt. Also ist
in diesem Falle die Thronfolge durch Gesetz zu regeln. (Vgl. v. Stengel
S. 43, H. Schulze 1 § 57, S. 180, H. A. Zachariä, Deutsches
Staats= und Bundesr. I. 8 56; Arndt, VU. Anm. 2 zu § 53, S. 204.)
Die Sukzessionsordnung stützt sich nicht bloß auf die Bestimmungen
der Verfassung, sondern auch auf die Königlichen Hausgesetze. Letztere
bilden daher mit die gesetzliche Grundlage der Sukzessionsordnung. Daraus