§ 4. Rechtliche Stellung des Staatsoberhauptes. 9
folgt, daß zu einer Anderung der Thronfolge die Anderung der Ver-
fassung und der Hausgesetze erforderlich ist. Zu einer gültigen
Anderung der Hausgesetze bedarf es aber der Zustimmung aller be-
teiligten Agnaten. Eine Veränderung der Thronfolge könnte daher
nur mit Einwilligung sämtlicher beteiligter Mitglieder des Königlichen
Hauses, unter Vertretung der noch Minderjährigen, stattfinden. (Vgl.
v. Gerber in Aegidis Zeitschr. f. deutsch. Staatsr. 1. S. 566, Dahl-
mann, Politik § 90, v. Treitschke, Deutsche Geschichte Bd. 2 S. 360.
Preuß. Jahrbücher 1858 S. 355 f. Arndt, Können Rechte der Agnaten
auf die Thronfolge nur durch Staatsgesetz geändert werden? 2. Aufl.
Berlin 1900. Derselbe, Vu. Anm. 1 zu Art. 53 Vl.)
Als Königliche Hausgesetze kommen vornehmlich in Betracht: Das
Testament des Kurfürsten Albrecht Achilles (dispositia Achillea) von
1473, welches bestimmte, daß höchstens 3 Regenten (1 für Mark
Brandenburg, 1 für Ansbach und 1 für Bayreuth) vorhanden sein dürfen,
weitere Teilungen unstatthaft seien, ferner der Geraer Hausvertrag
vom 9. April 1599, in welchem derselbe Grundsatz auch bei Sukzession
jüngerer Söhne des brandenburgischen Kurhauses in Ansbach und
Bayreuth ausgesprochen wurde, sodann der Vergleich zwischen Kurfürst
Friedrich III. und Markgraf Philipp vom 3. März 1692, die Ver-
ordnungen König Friedrichs I. vom Jahre 1710, die Bestätigung dieser
Verordnung durch das Edikt Friedrich Wilhelms I. vom 13. August
1713 und dessen Testament vom 1. Juli 1714.
Soweit die Verfassungsurkunde auf den Inhalt dieser Hausgesetze
verwiesen hat (Art. 53, 54, 56, 58 Vl.), sind die Hausgesetze Staats-
und Verfassungsgesetze geworden, welche einerseits nicht ohne Zu-
stimmung der Kammern und anderseits nicht ohne die Zustimmung
der Agnaten des Königlichen Hauses abgeändert werden dürfen. (Vgl.
Arndt Vll., Anm. 1 zu Art. 53 Vl..) Letzteres ist allerdings nicht
unbestritten, da nach einer weit verbreiteten Ansicht (vgl. G. Meyer,
Der Staat und die erworbenen Rechte. Leipzig 1895; derselbe,
Staatsrecht § 86; Bornhak, Preußisches Staatsrecht Bd. 1 S. 84,
Schwartz S. 149, H. Schulze, Preußisches Staatsrecht 1 § 53, Seydel,
Bayerisches Staatsrecht Bd. 1 S. 389), um die Thronfolge beim
Vorhandensein sukzessionsfähiger Agnaten zu ändern, nur Verfassungs-
änderung nötig und ausreichend sei. Es frägt sich jedoch, ob wenn
in einem Staat ein Gesetz zustande kommt, welches die Thronfolge
auch beim Vorhandensein berechtigter Agnaten abweichend regelt,
dieses Gesetz für den Staat und die benachteiligten Agnaten verbindlich
ist. Man wird dies bejahen müssen, sofern das Gesetz ordnungsmäßig
zustande gekommen ist und allen Erfordernissen eines Gesetzes ent-
spricht. (Anscheinend a. M. Arndt, Vu. Anm. 1 zu Art. 53 S. 202.)
Als weiteres Erfordernis des Sukzessionsrechts ist „eheliche Geburt"“
erfordert. Legitimation per subsequens matrimonium, Adoption
und Arrogation genügen nicht. Die Geburt muß auch aus einer
ebenbürtigen und hausgesetzlich gültigen Ehe erfolgt sein. Als eben-
bürtig wird die Ehe dann erachtet, wenn sie mit den Angehörigen
regierender oder früher regierender Häuser, sowie ehemals reichs-