Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§5 71. Ordnungs- und Sittenpolizei. 275 
Herrschaft an den rückständigen Lohn halten, ) reicht letzterer zur 
Deckung des Schadens nicht aus, so steht der Herrschaft ein Zurück- 
behaltungsrecht (kein Pfand= oder Absonderungsrecht) an den 
Sachen des Dienstboten zu. Die Polizeibehörde hat hierbei nicht die 
Befugnis, zugunsten des Gesindes zur Wiedererlangung der ihnen vor- 
enthaltenen Habseligkeiten einzuschreiten, da der Anspruch des Gesindes 
auf Rückgabe seiner Sachen ein rein privatrechtlicher ist, für dessen 
Entscheidung und Vollstreckung nur das ordentliche Gericht zuständig 
ist. (OVG. E. Bd. 7 S. 374.) 
Eine entscheidende Tätigkeit der Polizeibehörde findet sich in den Fällen, 
wo über den Lohn, das Kostgeld oder die Beköstigung des Gesindes 
nichts Bestimmtes abgemacht ist, und darüber Streit entsteht. In diesem 
Falle hat die Ortspolizeibehörde zu bestimmen, was nach Ortsgebrauch 
einem derartigen Gesinde zu gewähren ist (§ 33 Gesindeordn.) Die 
Entscheidung der Ortepolizeibehörde kann unter Ausschluß des Rechts- 
weges nur mit den aus §§ 127 ff. LVA. gegebenen Rechtsmitteln 
angefochten werden (OVG. E. Bd. 1 S. 392, Reskr. vom 17. April 
1872 Nr. 5, vom 26. Januar 1821 und 20. November 1841). Eine 
derartige polizeiliche Entscheidung greift auch Platz, wenn während 
des bestehenden Dienstverhältnisses Streit über die Beköstigung (Menge 
und Beschaffenheit) entsteht (§ 83 Gesindeordn.). Ein polizeiliches 
Einschreiten zugunsten des Gesindes ist auch für den Fall vorgesehen, 
daß eine Herrschaft aus anderen als den gesetzmäßigen Ursachen das 
Gesinde vor Ablauf der Zeit entläßt. Die Polizei greift aber nicht 
von Amts wegen, sondern nur auf Anrufen des Dienstboten ein. 
Diese polizeiliche Hilfe ist jedoch davon abhängig, daß diese, wenn 
auch nicht unmittelbar, so doch in einer den Umständen nach angemessenen 
Zeit (RE. in Gruchots Beitr. Bd. 26 S. 1047), welche nach der 
Praxis der Berliner Gerichte auf 3 Tage bemessen wird (Posseldt- 
Lindenberg, Gesinderecht 7. Aufl. Berlin 1907. Anm. 3 zu § 160 
S. 134f.), seitens des Gesindes nachgesucht werden muß, andernfalls 
vermutet wird, daß das Gesinde durch Nichtgeltendmachung mit der 
erfolgten Entlassung sich einverstanden erklärt hat. Die Tätigkeit der 
Polizei beschränkt sich auf Erzielung einer Einigung zwischen den 
Parteien nach vorgängiger Sackuntersuchung. Je nach dem Ergebnis 
dieser Untersuchung wird die Polizei, wenn sie die Entlassung für 
ungerechtfertigt erachtet, die Herrschaft zur Wiederaufnahme des 
Gesindes auffordern. Zu irgendwelchen Zwangsmaßregeln ist die 
Polizei hierbei nicht befugt. Die Weigerung hat nur die Folge, daß 
die Herrschaft dem ohne rechtmäßigen Grund entlassenen Dienstboten 
Entschädigung auf die noch rückständige Dienstzeit gewähren muß 
(§ 161 ff. Gesindeordn.). Die Polizeibehörde ist nicht befugt, die Ent- 
schädigung auch nur vorläufig festzusetzen (ugl. Reskr. vom 19. September 
1) Für das Gesindedienstverhältnis hat auf Grund Art. 95 EcG. z. BGB. der 
Art. 14 Nr. 1 des preußischen AG. z. BGB. dem Dienstberechtigten die Auf- 
rechnung seiner Entschädigungsansprüche wegen Verletzung der dem Gesinde 
obliegenden Verpflichtungen gegen die unpfändbare Lohnforderung ausdrücklich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.