Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

10 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates. 
ständischer Familien geschlossen ist, nicht jedoch reichsgräflicher. Nach den 
Hausgesetzen kommt noch als Erfordernis hinzu, daß sie mit Genehmigung 
des Familienoberhauptes, d. i. des Königs, abgeschlossen ist. Die 
Eheschließung erfolgt vor einem vom Könige bestellten Standesbeamten 
(872 des Ges. v. 6. Februar 1876 RGBl. S. 23). Die Vorschriften des 
Bürgerlichen Gesetzbuchs finden gemäß Art 57 EG. in Ansehung der 
Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie 
der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern nur insoweit 
Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen 
oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Praktische 
Bedeutung hat der Vorbehalt nach Maßgabe der bestehenden Haus- 
verfassungen und Landesgesetze hauptsächlich für die Bestimmungen 
über Volljährigkeit, für die Eingehung und Scheidung der Ehe, für 
die elterliche Gewalt und Vormundschaft, für das Erbrecht und für 
die Übertraguug und Belastung der zu dem Hausvermögen gehörenden 
Gegenstände. (Vgll. Planck, BGB. Bd. 6. Anm. 2 zu Art. 57 E.) 
Anderweite Erfordernisse für die Thronfolgeberechtigung, wie be- 
stimmte Konfession, vollständiges Freisein von körperlichen oder geistigen 
Gebrechen bestehen nicht. 
Der Erwerb der Krone erfolgt ipso jure im Augenblicke des Todes 
des letzten Throninhabers. Die Thronfolge ist staatsrechtlicher Natur, 
auf sie kann zwar verzichtet, aber sie kann nicht abgetreten werden. 
Im Falle des Verzichts folgt der durch Geburt am nächsten Berechtigte, 
nicht etwa ein anderer, zu dessen Gunsten verzichtet ist. 
Der König wird mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres voll- 
jährig. Dies steht im Einklang mit dem älteren Landesrechte und 
der Goldenen Bulle von 1356 (cap. VII. § 4). Dasselbe gilt 
für die Prinzen des Hauses Hohenzollern seit dem Geraer Hausvertrage. 
Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich 
Herrscher fremder Reiche sein (Art 55 Vu.). Unter fremdem Reich 
ist nicht ein deutscher Bundesstaat zu verstehen. Es bedarf daher zur 
Personalunion eines deutschen Staates mit Preußen nicht der Zu- 
stimmung des preußischen Landtages. (Vgl. auch Verhandlungen des 
Abgeordnetenhauses 1886 1. S. 58 ff.) Die Realunion auch eines 
deutschen Staates mit Preußen bezw. die Annexion eines solchen ist 
gemäß Art. 2 der Vl. nur durch Gesetz statthaft. (Arndt Vu. Anm. 
zu Art. 55.) 
Vermögensrechte des Königs. Es gebühren ihm folgende 
Einkünfte: 
1. Die Zinsen des Kronfideikommißfonds. 
2. Die Einkünfte aus dem Königlichen Haus= und Kronfideikommiß, 
begründet im Testamente Friedrich Wilhelms I. vom Jahre 1733, 
dem Königlich Prinzlichen Familienfideikommiß, vom König Friedrich 
Wilhelm III. für nachgeborene Prinzen errichtet, und dem von dem- 
Lelben Monarchen ersparten Krontresor im Betrage von 5 Millionen 
alern. 
3. Die sogenannte Zivilliste, ursprünglich Entschädigung des Königs- 
hauses für den Verzicht des Königs auf die Ansprüche aus den Ein- 
 
	        
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